Medikamententests und nicht einwilligungsfähige Personen? Ein ideales Menschenmaterial!
»Es handle sich, so versicherten die Gesetzesmacher, nur um eine kleine Anpassung ans EU-Recht. Das Kabinett hat sie bereits durchgewunken, im Juni soll sie vom Bundestag beschlossen werden, im August in Kraft treten. Und auch der Name für das Vorhaben des Gesundheitsministers klingt wenig elektrisierend: viertes Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften.«[1]
Die gegenwärtige Rechtslage ist wirklich hinderlich: »Erlaubt sind solche Studien bisher nur, wenn für die Patienten davon ein persönlicher Nutzen erwartbar ist. Auf Drängen des Forschungsministeriums soll diese Regelung nun jedoch auch auf „gruppennützige“ Studien ausgeweitet werden, von denen die Probanden selber gar nicht profitieren.«
Eine solche Verzweckung des Menschen hatten wir in Deutschland schon einmal. Erinnert sei nur an die Menschenversuche des Dr. Mengele.[2]
Wer vertritt in im Parlament die Belange von Menschen mit Behinderung? Der Behindertenbeauftragte! Aber »der frühere Behindertenbeauftragte der Regierung [CDU-Politiker Hubert Hüppe] will nachgewiesen haben, dass es „eine unabweisbare Notwendigkeit für Forschung an Nichteinwilligungsfähigen ohne direkten Nutzen für diese Patienten“ gibt.« [Achtung, Korrektur: Das Zitat war wohl richtig, wurde von mir aber missverstanden und aus dem Sinnzusammenhang gerissen. Eindeutig mein Fehler. Heute, 20. Juni 2016, rief mich Herr Hüppe an und stellte klar, dass er gegen die geplante Gesetzesänderung ist. Also: Erst wenn dieser Nachweis wirklich erbracht werde, sei über die Ausgestaltung entsprechender Patientenverfügungen zu reden. Es tut mir leid, Herrn Hüppe auf der Seite derer gesehen zu haben, die einwilligungsunfähige Personen, also Demente und teils auch Menschen mit Behinderung als Versuchskaninchen für Medikamenten-Tests zu missbrauchen.]
Das soll dann wohl auch richtig flutschen: Hermann Gröhe[3], Bundesminister für Gesundheit, »argumentiert pragmatisch. Hochwertige klinische Prüfungen seien nun mal „Voraussetzung für einen schnellen und sicheren Zugang zu neuen Arzneimitteln“. Das ist dann wohl alternativlos. »Dabei müssten Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Bürger mit einem reibungslosen Genehmigungsverfahren „Hand in Hand gehen“.« Unabhängige Ethikkommissionen »seien „maßgeblich zu berücksichtigen“.« Was immer das heißen mag.
»Dem Bundesrat ist die Umformulierung ebenfalls nicht geheuer. Sofern die jeweils zuständige Ethikkommission eine klinische Prüfung abgelehnt habe, dürfe „kein zustimmender Bewertungsbericht ergehen“, lautet der Klarstellungsvorschlag der Länderkammer. Die Bundesregierung lehnt das ab, begründet es mit verfassungsrechtlichen Bedenken.« Welche das wohl sein mögen?
Die Überschrift zum Zeitungsartikel gefiel mir. Sie lautete: »Kirchen laufen Sturm gegen Pläne für Medikamententests«. So gefällt mir meine Kirche[4]. Beim Googeln stößt man auf andere Publikationen, die sich auf den Artikel beziehen.[5]
Damit komme ich zum zweiten Teil dieses Beitrags.
Für den Protest gegen nazi-ähnliche Menschenrechtsverletzungen sollte es eine breite Basis geben bei allen Organisationen und Publikationen, die für Menschenrechte eintreten. Warum machen das nur – und hoffentlich erfolgreich – die Kirchen? Es gibt noch andere Weltanschauungsgemeinschaften, die sich dem humanitären Protest anschließen könnten und sollten. Zusammen könnte man mehr erreichen.[6]
Besonders vermisse ich in diesem Zusammenhang die Glaubensgemeinschaft der Atheisten. Sie berufen sich auf Menschenrechte und Menschenwürde. Das ist gut so. Doch ihre Aktivitäten erschöpfen sich meist in allgemeiner Religions- und spezieller Kirchenfeindlichkeit.[7]
Als ich zu unserem Thema beim Humanistischen Pressedienst recherchierte, stieß ich nur auf eine Rezension zu Tierversuchen.[8] Soll das wirklich alles sein?
Wir brauchen eine Ökumene für Menschenrechte – und die gegenseitige Toleranz in Weltanschauungsfragen. Da sind die Kirchen zum Glück – oder Gottseidank – schon weiter.[9]
[1] Zitate soweit nicht anders vermerkt aus: http://www.tagesspiegel.de/politik/demenzkranke-und-geistig-behinderte-betroffen-kirchen-laufen-sturm-gegen-plaene-fuer-medikamententests/13602502.html
[2] Übrigens: „Eine Entschädigung an die Opfer für den körperlichen und seelischen Schaden wurde nicht geleistet.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenversuche_in_nationalsozialistischen_Konzentrationslagern
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Gr%C3%B6he
[4] Die Leser meines Blogs wissen, dass mir an der Kirche vieles nicht gefällt.
[5] https://www.google.de/search?hl=de&gl=de&tbm=nws&authuser=0&q=%22Pl%C3%A4ne+f%C3%BCr+Medikamententests%22&oq=%22Pl%C3%A4ne+f%C3%BCr+Medikamententests%22&gs_l=news-cc.1.0.43j43i53.3045.5397.0.7760.3.2.0.1.0.0.73.142.2.2.0…0.0…1ac.1.YXYnGghj-SM&gws_rd=ssl#q=%22Pl%C3%A4ne+f%C3%BCr+Medikamententests%22&hl=de&gl=de&authuser=0&tbm=nws&start=0
[6] Im allgemeinen Zusammenhang und für die kommunale Ebene plädierte ich kürzlich für ein öffentliches und öffentlich beworbenes interreligiöses Gespräch unter Einbeziehung der kommunalen Partner unter dem Motto: Was leisten die religiösen Gemeinschaften (und ihre Theologie) zum Wohl der Stadt? http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=4037
[7] So gab es kürzlich beim hpd einen Artikel, in dem „bewiesen“ wurde, dass die Theologie keine Wissenschaft sei. Als These wäre das ja diskutabel gewesen. Doch ich stieß dort auf eine atheistisch-fundamentalistische Glaubensgemeinschaft. http://hpd.de/artikel/warum-theologie-keine-wissenschaft-13057
[8] http://hpd.de/artikel/12532
[9] Bei uns gibt es zwar auch eng-schriftgläubige Fundamentalisten. Doch für Arzneimittelversuche an Dementen und Menschen mit anderen Behinderungen sind sie bestimmt nicht.
Die Toleranz der Religionsgemeinschaften
Das neueste Rundmail der Giordano-Bruno-Stiftung[1] beschäftigt sich mit der Platzverteilung im Fernsehrat.
»Die EMNID-Umfrage war von der Forschungsgruppe Weltanschauung in Deutschland (fowid) im Auftrag der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) initiiert worden. Deren Vorstandssprecher, der deutsche Philosoph und Religionskritiker Michael Schmidt-Salomon, hatte bereits vor einem Monat die „inakzeptable Ausgrenzung konfessionsfreier Bürgerinnen und Bürger“ im Rahmen des neuen ZDF-Staatsvertrags scharf kritisiert.“«
Ein Resümee der Untersuchung: »Der Neuentwurf des ZDF-Staatsvertrags steht damit in einem deutlichen Widerspruch zur Mehrheitsmeinung der Bürgerinnen und Bürger, erläutert Carsten Frerk, Leiter der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid)«
Für „bemerkenswert“ hält es Frerk, »dass auch innerhalb der Religionsgemeinschaften Mehrheiten für einen Sitz der Konfessionsfreien im Fernsehrat eintreten. 51 Prozent der Katholiken, 63 Prozent der Protestanten, 66 Prozent der Muslime und sogar 73 Prozent der Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften votieren für eine Interessenvertretung religionsfreier Menschen im ZDF-Fernsehrat. Offenbar ist das Gespür dafür, dass es ungerecht wäre, das konfessionsfreie Drittel der deutschen Bevölkerung bei dieser Frage auszugrenzen, bei den Gläubigen an der Basis sehr viel stärker verankert als bei den Funktionären an der Spitze der politischen und religiösen Institutionen.“«
Es wäre schön, wenn Herr Frerk ein Grundmuster heutigen christlichen Denkens nicht für bemerkenswert halten würde, sondern für normal. Wir sind – wenn auch nicht ganz aus eigenem Antrieb – tolerant gegenüber Andersdenkenden geworden. „Bitte sehr, nehmen Sie Platz, Herr Frerk!“
Auf der Skala der Christenfeindlichkeit – Die Furcht der Kommunisten vor Weihnachten
Man könnte Staaten und Gesellschaften auf einer 10-stufigen Skala von Christenfeindlichkeit einordnen. Inzwischen gibt es auf der Höchststufe das Gedrängel von Boko Haram[1] und ISIS[2]. China dürfte nach aktuellen Meldungen wohl auf 8 oder 9 kommen[3], unsere arabischen Öllieferanten dicht darunter und die Türkei in der Mitte. Die verbal-militanten Christenfeinde bei uns würde ich bei 2-3 einordnen wollen und das generell Religionen ignorierende Frankreich bei Null.[4]
Toleranz, auch Duldsamkeit, ist allgemein ein Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten.[5] Toleranz hat eine lange und leidvolle Geschichte. Unsere Gesellschaft muss diese Errungenschaft bewahren und verteidigen und jeder einzelne muss sich zuweilen überwinden, selber tolerant zu bleiben.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Boko_Haram
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Islamischer_Staat_%28Organisation%29
[3] Die Kommunisten setzen offenbar darauf, dass Kinder möglichst wenig mit christlichen Bräuchen in Berührung kommen. In Wenzhou wurden laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua in Kindergärten und Grundschulen alle weihnachtlichen Aktivitäten verboten. Inspektoren sollen garantieren, dass das Verbot auch eingehalten wird. Es gehe darum, ein Zeichen gegen die Fixierung auf westliche Feiertage zu setzen. Denn diese gingen auf Kosten chinesischer Feste, zitierte Xinhua einen Mitarbeiter der örtlichen Bildungsbehörde. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/weihnachten-in-china-kommunisten-verbieten-kreuze-und-feiern-a-1010273.html
[4] Dafür blüht dort ein staatlich unterstützter Erinnerungskult zur Überhöhung der Grande Nation.
Wenn political correctness Mordgehilfen produziert
Heute, in der Printausgabe der FAZ, berichtet Ahmad Mansour nicht nur über die „Ehrenmorde“, sondern auch über die Erziehung, die solche Täter hervorbringt. „Wir machen uns zum Komplizen der Täter“ klagt er und beklagt das forcierte Wegsehen. Es ist politisch nicht opportun, weil intolerant, fremde Kulturen zu konfrontieren.
Er hat recht. Anstatt daß wir die Anerkennung einer menschenrechtsbasierten Leitkultur einfordern, kneift das linke Spektrum und ermöglicht eine Leidkultur zulasten von Frauen und Kindern. Man errichtet Tabus und diffamiert eine problemorientierte Debatte. Mit dem Thema Beschneidung hatten wir das ja kürzlich vorgeführt bekommen. Hier kam noch der infame Vorwurf des Antisemitismus hinzu.
Ahmad Mansour arbeitet als Gruppenleiter am Projekt Heroes in Berlin mit: http://www.heroes-net.de/
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