Wurde doch vorausgesetzt, dass sich in christlich-diakonischen Heimen dem „ärmsten Bruder“ im Geist der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit angenommen wird.
Wieso dann die vielfachen Demütigungen und das Anwenden von Gewalt?
Ulrike Winkler hat in ihrem Vortrag in Hamburg ein desolates Bild dieser Anstalten vorgestellt. Nicht neu, aber komprimiert.
Die Frage des Wieso hat soweit ich weiß noch keinen Theologen zu einer plausiblen Antwort herausgefordert.
Leider hat Frau Winkler die Vertuschungs- und „Entschädigungs“praxis im Vortrag ausgespart. Auch für dieses Verhalten kirchlicher Einrichtungen hätte ich gern eine theologische Stellungnahme – und werde sie wohl nicht bekommen.
Die Nutznießer des Todes haben schon wieder gespart
Gemeint sind nicht diejenigen, die mit dem Tod ehrlich ihr Geld verdienen. Der Bäcker lebt von unserem Hunger, der Arzt von unserem Beinbruch und die Periletalexperten von unserem Tod. Das ist normal und in Ordnung. Auch dass die Versicherungen mit unserem Tod spekulieren, – wir müssen uns ja nicht drauf einlassen.
Aber die Bürokraten, die uns auf die lange Bank schieben bis wir runterfallen bevor unser „Fall“ zu Lebzeiten abgeschlossen ist, sie schieben eine ruhige Kugel, nur net hudle, und sie sparen das Geld des Staates und der Kirchen. Wieder ein Fall weniger.[1]
HEPHATA heißt: Öffne dich[2], ist in diesem Fall aber eine Totale Institution[3], eine als geschlossen erlebte Einrichtung der erbarmungslos christlichen Art. Wer dort gelitten hat, ich kenne solche Menschen, mag vielleicht gehofft haben, dass sich der Almosenfonds für die ehemaligen Heimkinder auch für sie einmal öffnet. Aber manche fallen vorher von der langen Bank.
Die Bearbeiter, die Vertreter von Staat und Kirchen sagen vielleicht Schicksal, oder etwa Kismet, oder gar Inshallah. Nein, falsch: Gott der allmächtige hat uns den Gefallen getan, seinen treuen Diener Anton Müller heim in sein ewiges Reich zuholen[4]. Heim! Schon wieder.
Heime sind richtige Sparkassen.
Hier das Mail mit Anmerkungen von denen, die auf der langen Bank sitzen – noch.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
Heute ist erneut ein „Ehemaliges Heimkind“, welcher seinerzeit in der Einrichtung HEPHATA Mönchengladbach untergebracht war, gestorben. Nach meinem Kenntnisstand, ist dass das vierte Heimkind, welches verstorben ist, innerhalb weniger Jahre.
Seine Lebensgefährtin selber, ist körperlich und geistig behindert und hat einen gesetzlichen Betreuer.
Sie wird nie allein in der Lage sein, selbstständig einen Haushalt zu führen und beide haben sich hervorragend verstanden und ergänzt. Bis auf weiteres, ist sie in eine Klinik untergebracht und die Wohnung von der Polizei versiegelt worden.
Im Rahmen der Antragstellung an den Heimfond-West beim LVR Köln, habe ich beide kennengelernt,
bei mir zu Hause. Ich weiss, dass auch bei einer schnelleren Antragsbearbeitung, der Tod sich nicht vermeiden lässt, aber es würde die Möglichkeit bestehen, dass eben doch noch viele ehemalige Heimkinder, in der Lage versetzt würden, sich auf eine bessere Lebensqualität zu freuen.
Mit 58 Jahren vielleicht sogar noch auf viele Jahre!
Ich berichte hier bewusst darüber, weil dies wohl deutschlandweit ein Problem darstellt, dass eben nicht mehr alle, die lange Antragsdauer, sowie den dafür zu führenden unmenschlichen Aufwand, überleben bzw. überlebt haben. Denn zu den gesundheitlichen Nachfolgeschäden, kommen ja noch die üblichen Alterserscheinungen hinzu, mit den viele ältere Mitbürger zu kämpfen haben.
Bewusst habe ich dies heute auch auf Facebook gepostet, damit der heutige Tod, den wir ja alle oftmals vor Augen haben, bei uns Betroffenen Wut erzeugt. Wut auf die Personen, welche für diesen unwürdigen Heimfond und dessen Procedere, am Runden-Tisch-Berlin, verantwortlich zeichnen. Hier an der Spitze, eine evang. Pastorin Antje Vollmer, ehemals auch Vizepräsidentin des Deutschen Bundestag.
Ich bin zwar nicht unmittelbar von diesem Tod betroffen, dennoch kann ich Ihnen sagen, dass ich mich sauelend gefühlt habe, als mich dieser Anruf heute erreichte. Erstmalig so elend, das ich Übelkeitsgefühle hatte.
Kommenden Montag werde ich mich informieren, wie das mit der Beerdigung von statten geht und beim Fond nachfragen, sowie bei Hephata, ob eine Beteiligung möglich ist. Da noch einige andere ehemalige Heimkinder aus Hephata in Mönchengladbach leben, und viele mich heute angerufen haben, werden wir wohl zusammen, ihm die „letzte Ehre“ erweisen.
Mir war und ist es einfach ein Bedürfniss gewesen, es Ihnen mitzuteilen.
Mit freundlichen Grüssen
Uwe Werner
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3 Std. ·
So eben wurde mir mitgeteilt, dass ein ehemaliges Heimkind (Stiftung Hephata) in Mönchengladbach verstorben ist. Er wurde in seiner Wohnung, von seiner behinderten Frau tot aufgefunden. Er wurde mal gerade 56 Jahre alt.
Sein Antrag an den „Fond Heimerziehung“, hat sich damit erübrigt, den ich mit ihm in meiner Wohnung geschrieben habe und er mir über seine Zeit im Heim Hephata berichtet hat.
Ich bin entsetzt und wütend zugleich, weil er keine Chance hatte, ein würdiges Leben führen zu dürfen und wieder einmal, ein Antrag an den Fond, aus biologischen Gründen ad acta gelegt werden kann.
Ich hoffe, er hat jetzt seinen Frieden!!!
Mechthilde M. Der Familie und Freunden mein aufrichtiges Beileid. Wieder € dem Staat geschenkt
Hildegard N. So geht die Rechnung leider wieder auf. Mein Beileid an die Familie und Freunde.
Werner Uwe Ich habe nur noch Wut, Wut, Wut…im Bauch und entsprechend werde ich Montag den Heimfond in Köln informieren.
Klaus S. Uwe die Beerdigungkosten müsste der Fond übernehmen wenn er den Antrag gestellt hat. Ich hoffe man kann ihnen dann helfen.
Ilona S. Mein aufrichtiges Beileid der Familie und den Betroffenen. Mich macht es ebenfalls sauer das Menschen die genug durch die ehm.Systeme gelitten haben, keine Chance mehr hatten, dieses Leid ein wenig zu lindern. Aber jetzt meine Frage, kann die Familie dieses nicht für eine würdige Beerdigung beantragen, das sollte man schon zugestehen oder zumindest die Rentenersatzleistung.
Hildegard N. Ich denke an die Arme behinderten Dame. Sie braucht jetzt jede erdenkliche-Hilfe!!!!
Werner Uwe Soviel ich weiss und bin mir da sicher, ist es eine Lebensgefährtin, mit geistiger und körperlicher Behinderung und hat einen gesetzlichen Betreuer. Die Frau ist jetzt in einer Klinik und die Wohnung ist versiegelt. Der Sohn ist ebenfalls behindert. Werde Montag mit Köln und Hephata telefonieren und sie unterrichten. Andere EHEMALIGE von Hephata wollen mit zur Beerdigung und sind z.Z. mies drauf. Ob sonst überhaupt noch Familie da ist, weiss ich nicht.
Hildegard N. Auch Dir Werner Uwe möchte ich meinen Dank aussprechen.Das Du diesen Menschen Mut Trost und Unterstützung zu kommen lässt.!
Werner Uwe Da ich seine Antragskopien und Heimnachweise in Kopie noch hier habe, werde ich sie Montag dem LVR Köln und Hephata mit einem entsprechenden Kommentar, zu schicken. Ich will vermeiden, dass es keine billige anonyme Beerdigung wird von der Stadt.
Nebenbei, ich selber will einfach nur verbrannt werden, der Rest ist mir egal. Familie gibt es eh nicht, sodass es keine Probleme und Diskussionen um mich geben wird. Die Welt ist nun mal so wie sie ist und die Menschen auch. Doch ich sorge dafür, dass ich auch morgen noch lachen kann, versprochen!!!
Jenny Z.das ist traurig.
[1] https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/14120912752/in/set-72157615322601328
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Effata
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Totale_Institution
[4] https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/3356746668/in/set-72157615322601328
In einem ganz „normalen“ Heim der evangelischen Diakonie…
»Ich war übrigens in keinem Kloster, keiner Sekte, sondern in einem ganz „normalen“ Heim der evangelischen Diakonie… « schreibt eine Kommentatorin zu einem Beitrag über Sex-and-crime im Kloster[1]. Es geht um die Methoden der Produktion von Abhängigkeit und Abschottung von anderen, konkurrierenden Einflüssen. Während in Klöstern und auch bei Scientology immerhin – bei aller Kritik – die Absicht zu erkennen ist, eine „neue“ Persönlichkeit zu formen, die innerhalb der Parallelwelt lebensfähig ist und Anerkennung, sogar Lebenserfüllung finden kann, war die Erziehung in manchen (vielen?) Kinderheimen kirchlicher und staatlicher Machart rein destruktiv. Viele dieser Kinder wurden systematisch so zugerichtet, daß viele von ihnen ihr Leben nur als zerstört ansehen können. Diese systematische Destruktion wird von der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht wahrgenommen. Die hält sich lieber an Themen wie sexuellem Mißbrauch und Prügelexzessen auf. Die gab es zwar auch zuhauf, doch sie waren nur Mittel zum Zweck: Die Kinder für das Leben zu zerbrechen.
Es lohnt sich, beide Kommentare zum Blogbeitrag zu lesen, weil sie in aller Klarheit eine verbrecherische Erziehung in einer wahrhaft „totalen Institution“ beschreiben.[2]
[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/04/23/sex-and-crime-im-kloster/
[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/04/23/sex-and-crime-im-kloster/#comments
Zwei Jahre Haasenburg.
Ergebnis: Ich habe mein Leben dort verloren und vergessen! Bezahlt hat’s das Jugendamt![1]
Noch einmal ins Heim? Von den letzten Dingen.
Noch einmal ins Heim?
Von den letzten Dingen.
Ehemalige Heimkinder sehen alters- und gesundheitsbedingte Abhängigkeiten auf sich zukommen und machen sich Gedanken über ihre Unterbringung. Es geht um eine sie in besonderem Maße beunruhigende Zukunft.
Keiner von uns kann sich darauf verlassen, von einem gnädig-plötzlichen, schnellen und schmerzlosen Tod ereilt zu werden. Die Wahrscheinlichkeit sieht anders aus. Kaum jemand stellt sich seine Zukunft im Alten- oder Pflegeheim positiv vor. Man sieht es daran, daß die gut gemeinten Konzepte einer frühen Übersiedelung ins Altenheim, die ein „Einleben“ ermöglichen sollten, nicht angenommen wurden, so daß in vielen (den meisten?) Altenheimen Wohnplätze zu Pflegeplätzen umgestaltet wurden. Ambulante Pflegedienste ermöglichen eine größere, wenn auch eingeschränkte Unabhängigkeit im Alter. Aber wir wissen: Wenn’s gar nicht mehr geht, landen wir im Pflegeheim. Und bei allen Verbesserungen der Heimsituation: Augustinum-Qualität kostet mehr, als die meisten von uns aufwenden können.
Nun zu den ehemaligen Heimkindern:
Wer üble Heimerfahrungen hat, sieht einer erneuten Unterbringung in einer Totalen Institution (Goffman) mit erhöhter Sorge entgegen. Er möchte die Fremdbestimmung reduzieren und rechtzeitig mitbestimmen. Aus diesem Grund hat jemand aus dem Kreis der ehemaligen Heimkinder sich an einen kirchlichen Spitzenfunktionär gewandt und eine Antwort erhalten, die ihn – gelinde gesagt – nicht zufrieden gestellt hat. Er bat mich um Rat und ich habe dem Herrn in der Kirchenhierarchie einen Brief geschrieben, den ich hier wiedergeben möchte. Da ich der Meinung bin, daß der Adressat nur systemkonform geantwortet hatte, möchte ich auf Personalisierungen verzichten. Herr „Dr. Meyer“ in der Kirchenleitung ist also ein Pseudonym, wie auch Herr „Kunde“ als ehemaliges Heimkind.
Ich schrieb:
Sehr geehrter Herr Dr. Meyer!
Herr Kunde, ein ehemaliges Heimkind, hat sich an mich gewendet in der Frage der absehbaren Unterbringung von ehemaligen Heimkindern, in einem Alten- bzw. Pflegeheim. Sie haben ihm mit Schreiben vom 23. Februar geantwortet.
Weil er über diese Antwort enttäuscht/bestürzt/verärgert ist, hat mich Herr Kunde um Rat gebeten.
Eine Reihe von ehemaligen Heimkindern wendet sich an mich, obwohl ich Pfarrer bin. Seit vielen Jahren habe ich mich mit dem Thema Traumatisierung und PTSB befaßt, zunächst im Rahmen von Notfallseelsorge, dann aber in Zusammenhang mit Kriegs- und mit Heimkindern. …
Nun zu Ihrer Antwort.
Sie haben Recht; die Heimsituation in den Alten- und Pflegeheimen, wie auch in den Kinderheimen, ist wesentlich, man muß sagen unvergleichbar besser geworden.
Doch bei aller Qualitätssicherung darf ich vermuten, daß Sie wie auch ich kaum zuversichtlich einem Heim als Endstation Ihres Lebens entgegensehen. Und so treffen sich beim Ausbau der ambulanten Pflegedienste ökonomische Vorteile mit der verbreiteten Vorstellung „Bloß nicht ins Heim!“ Und für letztere gibt es auch heute noch genug Gründe, die hier auszuführen nicht der Platz ist.
Wenn schon von Heimerfahrung unbelastete Menschen so denken, haben wir es mit der Gruppe der ehemaligen Heimkinder mit extrem belasteten zu tun. Viele von ihnen sind seit damals traumatisiert und anfällig für Trigger, die Retraumatisierungen auslösen.
Diese Menschen machen sich Sorgen, wieder ins Heim zu müssen. Man wird sie nicht beschwichtigen können mit der Auskunft, es sei doch heute alles besser. Das klingt nach einer institutionsorientierten Antwort, wo eine „klientenzentrierte“ angemessen wäre. Doch dafür muß man zunächst fragen, bevor man Antworten gibt.
Die meisten Leute, nicht nur die ehemaligen Heimkinder, überblicken die Konstruktion der Kirche und ihrer Einrichtungen nicht. Sie wenden sich an die Spitzenfunktionäre in der Hoffnung, daß die Dinge top-down von oben geregelt werden könnten. Nun kann man im Unterschied zum problembehafteten staatlichen Föderalismus bei der Kirche nicht einmal von Föderalismus sprechen. Was könnte also die EKD in der Frage der Altenheimunterbringung ehemaliger Heimkinder tun, vielleicht sogar unter vorsichtiger Überschreitung ihrer Kompetenzen?
Sie könnte Empfehlungen aussprechen, die per Öffentlichkeitswirkung den örtlichen diakonischen Einrichtungen Lösungsansätze nahelegen. Dafür wäre es erforderlich, daß die Diakoniefachleute mit den ehemaligen Heimkindern sprechen, soweit sie sich als solche zu erkennen geben, vielleicht sogar eine organisatorische Basis haben, wie im vorliegenden Fall. Man sollte ihre Befürchtungen erfragen und ernstnehmen, indem man respektvoll gemeinsam Lösungen entwickelt.
Dies aber muß zügig geschehen. Herr Kunde schrieb mir: „Wir haben das Problem, dass wir uns etwa alle Vierteljahre von irgendeinem ehemaligen Mitschüler verabschieden, weil er gestorben ist. Die Zeit, wo die biologische Beendigung des Skandals geschehen ist, können wir uns an zwei Händen ausrechnen.“
Ich würde mich sehr freuen, wenn die EKD gemeinsam mit dem DW/EKD sich diesen Zeitdruck zu eigen macht und sich kurzfristig zu einer dringenden Empfehlung an die einzelnen Mitglieder in den Diakonischen Werken der Landeskirchen bereitfindet. Für das Problem der Altenheimunterbringung braucht man nicht auf Ergebnisse des Runden Tisches zu warten.
Außerdem: Eine Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von ehemaligen Heimkindern bei der Altenheimunterbringung würde diesen Heimen auch ganz allgemein einen bedeutenden Qualitätsschub bringen.
Mit freundlichem Gruß
dierk schäfer
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