Dierk Schaefers Blog

Staatsdiener – unfähig, unwillig oder korrupt?

Posted in Politik by dierkschaefer on 7. Oktober 2014

Eine Historie von mehreren Jahrzehnten und ein Gesamtvolumen von mehr als 50 Milliarden Euro, so lesen wir in der Süddeutschen über die 50-seitige Zusammenfassung einer umfassenden „Bestandsaufnahme und Risikoanalyse“ zentraler Rüstungsprojekte, vorgelegt von einem Konsortium aus Beratern und Anwälten von KPMG, der Ingenieurgesellschaft P3 und der Kanzlei Taylor Wessing[1].

Ein jahrzehntelanges Missmanagement also, betrieben von einer ganzen Abfolge von Ministern und ihren Untergebenen in der Bundeswehr.

Das Beschaffungswesen der Bundeswehr stelle sich Außenstehenden als ein verschlungenes Dickicht an Kompetenzen, Behörden und Standorten dar, heißt es.

»Derzeit, so urteilen die Analysten in der Zusammenfassung, gelinge es dem Bund nicht, „seine Kosten-, Termin- und Leistungsziele“ gegenüber der Industrie durchzusetzen. Bereits bei Abschluss der Verträge seien diese „nicht ausreichend verankert“. Das liege daran, dass man selbst bei hochkomplexen Projekten auf Musterverträge zurückgreife und auf die Begleitung durch „erfahrene Juristen“ verzichte – was zu „unpräzise formulierten Gewährleistungs- und Haftungsklauseln“ führe. Bei internationalen Projekten potenziere sich das noch1«.

 

Milliarden in den Sand gesetzt – in den Sand?

Der Sand dürfte Namen haben.

Mußte man erst ein Gutachten abwarten, um dem Begriff Steuerfahndung eine neue Dimension zu geben? Wo bleibt die, leider weisungsgebundene, Staatsanwaltschaft, um dem Verdacht auf organisierte Kriminalität nachzugehen?

Als Leiter einer Reihe von Seminaren über Korruption habe ich die Erfahrung gemacht, daß der politische Wille zur Korruptionsbekämpfung – zurückhaltend gesagt – unterentwickelt ist.

Doch da Politik ein Geschäft ist, wird sich daran wohl so bald nichts ändern. Wie mag es wohl in den anderen Ressorts aussehen?

 

Zwei Dinge aber sollten wir einfordern:

  1. Wenn zukünftig keine Milliarden mehr in einen anonym bleibenden Sand gesetzt werden, sondern sachgemäß eingesetzt, ist eine Erhöhung des Bundeswehretats unnötig, sogar gefährlich, denn sie animiert nur zu unkontrolliertem Geldausgeben.
  2. Wenn wir uns manche kostenträchtigen Entwicklungen sparen können, sind wir zwar bei manchen Waffensystemen nicht mehr „Weltmeister“, könnten sie aber woanders kaufen[2] und damit dem verständlichen Wunsch unserer Nachbarn entsprechen, nämlich unseren Export zu deren Gunsten reduzieren.

Doch die Rüstungsindustrie dürfte schon auf der Matte stehen um das zu verhindern – auf wessen Matte?[3]

 

Zum Ankreuzen

Staatsdiener:   (  ) unfähig,          (  ) unwillig              oder (  ) korrupt?

[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/studie-zur-bundeswehr-schonungslose-abrechnung-mit-der-ruestungspolitik-1.2157775

[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/verteidigungsministerin-von-der-leyen-legt-sich-mit-ruestungsindustrie-an-1.2160927

[3] http://www.sueddeutsche.de/thema/R%C3%BCstungsindustrie

Gauck’s Kriegslied

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Menschenrechte, Politik, Theologie by dierkschaefer on 21. Juni 2014

Gauck’s Kriegslied

 

‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg!

O Gottes Engel wehre,

Und rede Du darein!

‘s ist leider Krieg –

und ich begehre

Nicht schuld daran zu sein!

 

So Matthias Claudius in seinem „Kriegslied“[1]

Und was sagt unser oberster Repräsentant und gelernter Pfarrer? Er vermeidet das Wort Krieg, spricht aber für den Einsatz von Waffen. „Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen.“[2]

 

Ein Skandal? Und wenn ja, warum?

 

Den einen Teil des Skandals hat Jakob Augstein im SPIEGEL richtig und ausführlich benannt2. Gauck scheint ein Lieblingsthema gefunden zu haben und kein bißchen an die Kriegsrhetorik der evangelischen Kirchen und ihrer Pfarrer in großer vaterländischer Zeit zu denken. Hätte ihm doch einfallen müssen, das Gott-mit-uns auf den Koppelschlössern. Man kann das nicht naiv ersetzen mit Für-die-Menschenrechte. Zwar sind beides hohe Güter, Gott und die Menschenrechte. Wir wissen auch, daß die Nazis nicht durch Lichterketten und wohl auch nicht durch Gebete niedergerungen wurden. Einen naiven Pazifismus kann man also nicht predigen.

Es gilt aber auch die „Kollateralschäden“ zu benennen.

 

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,

So glücklich vor dem Krieg,

Nun alle elend, alle arme Leute,

Wehklagten über mich?1

 

Und der zweite Teil des Skandals?

Auch die Kollateralgewinne gehören genannt. Deutschland ist weltweit viertgrößter Waffenexporteur. Gibt es da keine Interessen, die nichts mit Menschenrechten zu tun haben?

Unsere Verbündeten, allen voran die USA, betreiben Weltmachtpolitik und benutzen das Menschenrechtsargument je nach ihren Interessen[3]. Darf ein deutscher Bundespräsident so naiv sein und dieses nicht erwähnen, wenn er von Waffengebrauch für Menschenrechte spricht?

 

„’s ist Krieg!“ ist auch der Titel eines Gedichts von Kurt Tucholsky.

 

Die fetten Hände behaglich verschränkt

vorn über der bauchigen Weste,

steht einer am Lager und lächelt und denkt:

„‘s ist Krieg! Das ist doch das beste!

Das Leder geräumt, und der Friede ist weit.

Jetzt mach in anderen Chosen –

Noch ist die blühende, goldene Zeit!

Noch sind die Tage der Rosen!“1

 

Wenn Herr Gauck Tucholsky nicht lesen will, so sollte er doch einmal seinen Blick in gut christliche Literatur werfen.

 

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen

Und blutig, bleich und blaß,

Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen,

Und vor mir weinten, was?1

 

 

Das Kriegslied von Matthias Claudius ist bei Wiki passend bebildert mit einer Schlachtszene aus Goyas „Schrecken des Krieges“. Scheint leider wenig bekannt zu sein.

 

Der größte Skandal ist, daß man für einen Pfarrer das schwäbische „Herr, schmeiß Hirn ra“! (ra = runter) abwandeln muß in „Herr, schmeiß Herz ra“!

 

[1] Man sollte es ganz lesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Kriegslied_%28Matthias_Claudius%29

[2] Zitiert nach http://www.spiegel.de/politik/deutschland/augstein-gegen-gauck-s-forderung-nach-mehr-deutschen-kriegseinsaetzen-a-976083.html

[3] Man denke nur an den Irak-Krieg oder an unterlassene Kriege gegen Despoten. Es ging immer nur um politische und wirtschaftliche Interessen.

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