Dierk Schaefers Blog

Ein Urteil, das zu denken gibt.

Posted in heimkinder, Politik by dierkschaefer on 30. August 2012

Da sollen zwei vor Gericht beweisen, daß etwas  n i c h t   stattgefunden hat. Nun kennen wir die Figur des Alibi. Ich bin nicht in Mühlhausen gewesen, weil ich nachweislich in Ravensburg war – und dafür gibt es Zeugen.

O.k, aber hier geht es darum, ob ein Amt seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist. Das Amt ist die beklagte Partei. Kläger sind zwei ehemalige Heimkinder. Sie haben keinen Zugriff auf Akten, aus denen eben nicht hervorgeht, daß ihr Kinderheim im fraglichen Zeitraum wenigstens einmal überprüft wurde. Kein Protokoll scheint zu existieren, jedenfalls scheint die Gegenseite ganz einfach zugeknöpft gewesen zu sein. Aber Kontrolle war Vorschrift.

Und so geht das Gericht nach der Methode Palmström vor, »und kommt zu dem Ergebnis: „Nur ein Traum war das Erlebnis, weil“, so schließt [es] messerscharf, „nicht sein kann, was nicht sein darf!“«

Nicht das Landesjugendamt mußte den Beweis antreten, sondern – ätsch! – die Kläger, damals Kinder und heute ohne Ermittlungsbefugnis. Die hatte das Gericht und übte sie nicht aus. In dubio pro reo! Sicherlich ein wichtiger Grundsatz in einem Rechtsstaat – aber auch in solchen Fällen?

Es ist allgemein bekannt, daß die Ämter ihrer Aufsichtspflicht über die Heime meist nicht oder nur unzulänglich nachgekommen sind. Und gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, das beklagte Landesjugendamt wäre die rühmliche Ausnahme: Wie sind dann die Mißhandlungen zu erklären, um die es wohl auch in diesem Fall geht? Hätte das Amt kontrolliert – um so schlimmer, weil die Mißstände nicht abgestellt wurden! So etwas kommt ja auch heute noch vor: https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/12/31/2243/

Wir brauchen in solchen Fällen eine Beweislastumkehr, zumindest wenn ein Kläger mit seiner Klage nicht allein auf weiter Flur steht.

 

Hier der Bericht über das Kölner Urteil, das im Unterschied zum Beschneidungsurteil nicht wegweisend sein sollte.

http://www.readers-edition.de/2012/08/30/klage-vor-dem-lg-koln/ Donnerstag, 30. August 2012

 

Ach ja, auf das Thema Verjährung wurde nicht eingegangen. Das wäre ein noch schnellerer Weg gewesen, die Klage abzuweisen. Ob man aber darauf Hoffnung setzten kann?

3 Antworten

Subscribe to comments with RSS.

  1. Helmut Jacob said, on 30. August 2012 at 23:30

    Das Strickmuster ist bekannt. Erst leugnen die Tätervertreter, dass überhaupt Verbrechen an Säuglingen, Klein- und Schulkindern, behinderten Kindern und jungen Frauen und Männern in der Erziehungshilfe stattgefunden haben. Wenn die Beweise erdrücken, geben sie das zu, was nicht mehr zu belügen ist. Aber sie relativieren, verharmlosen, beschönigen die Taten und lassen sie durch den Kosmetikfilter laufen. Wenn auch das nichts hilft, legt man ein bisschen Reue auf. Man entschuldigt sich, ohne die Verbrechen einzugestehen. Man herzt die Opfer öffentlichkeitswirksam. Aber: Die verantwortliche Zuständigkeit wird verschwiegen, solange es geht. Die Verbrecher in den Heimen leben nicht mehr oder sind nicht mehr Herr ihrer Sinne. Die Rechtsnachfolger der Heime müssen die Verantwortung der Heime eingestehen, schieben aber schubkarrenweise Argumente ins Blickfeld der Empörten, die ihre Verantwortlichkeit abmildern. Kein Geld, kein Personal, Nachkriegswehen, Hungersnot, etc. Die Rechtsnachfolger in der Aufsichtsverantwortung mauern durch die Bank. Am Beispiel Volmarstein, wo in einem Heim für schwerbehinderte Kinder Verbrechen an der Tagesordnung waren, sieht dieses Mauern so aus: Der Bürgermeister der Stadt Wetter, in die Volmarstein Anfang der 70er Jahre eingemeindet wurde, weiß von nichts. Er weiß nichts von einem Jugendamt in Volmarstein. Der Archivar weiß auch nichts. Es steht zu befürchten, dass die entsprechenden Akten im Harkortsee versenkt wurden. Der Ennepe-Ruhr-Kreis weiß nichts. Die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland wissen auch nichts, jedenfalls nichts konkretes. Ob ihre Landesjugendämter ihre Aufsichtspflicht erfüllt oder verschnarcht haben, wissen sie selbstverständlich alle durch die Bank auch nicht. Sie fühlen sich auch alle nicht zuständig. Da ist es doch einfach, wenn ein Richter die Akte vom Tisch fegt, in dem es den Opfern die Beweislast aufs Auge drückt. Er weiß – auch aus der Presse – dass er damit das Thema vom Tisch bekommt und kein Urteil fällen muss. So einfach geht das.

  2. E.Kronschnabel said, on 30. August 2012 at 23:56

    Herr Jacob, Herr Jacob…Sie kommen mal in’s Heim, wenn Sie immer aus der Schule plaudern…!

    Besser als Sie kann man es nicht ausdrücken.

    Und ich ahne, dass es GENAU SO durch alle Instanzen laufen wird.

    • Helmut Jacob said, on 31. August 2012 at 00:20

      „… wenn Sie immer aus der Schule plaudern…“

      mein klassenzimmer war der rth. 🙂


Hinterlasse einen Kommentar