Dierk Schaefers Blog

Ausgerechnet der Ex-Militärbischof

Posted in Gesellschaft, Kirche, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 27. Juni 2013

Löwe heißt er. Es geht um die EKD-Orientierungshilfe zu den Formen des Zusammenlebens. Und was hat er gebrüllt?

»Im Blick auf die Kinder, so argumentiert Löwe, seien Alleinerziehende, wo der Vater oder die Mutter fehlt, beziehungsweise „der männlich-weiblichen Polarität entbehrende Gemeinschaften von zwei Frauen oder zwei Männern nicht der überkommenen Ehe und Familie gleich zu schätzen“«. Die Veröffentlichung stelle „einen revolutionären Bruch dar in der Kontinuität evangelischer Lehre und gemeinchristlicher Überzeugungen“. Es sei unbegreiflich, „wie der Rat der EKD von allen seinen früheren Äußerungen zu Ehe, Familie und Homosexualität abweicht, ohne auch nur einen einzigen diskutablen theologischen Grund anzugeben“.«[1]

Ausgerechnet ein Ex-Bischof, der für eine Berufsgruppe zuständig war, die, wenn auch nicht gezielt, dafür sorgt, daß viele Kinder vaterlos aufwachsen müssen. Kein Wort zu den Kriegswaisen oder auch den Kriegerwitwen, für die Gesellschaft und Kirche keine Lebenshilfe angeboten haben, als ihre Männer nicht oder ihrer Persönlichkeit entkernt aus dem Krieg zurückkehrten. Schon damals, nach 1945, hätten wir andere Ehe- und Familienvorstellungen entwickeln müssen. Löwe vermißt auch die theologischen Gründe für die »problematische Tradition evangelischer Anpassung an den Zeitgeist«. Er hätte sich auch bemühen können um die problematische Anpassung der Kirche nach Konstantin, als sie den Widerstand gegen den Militärdienst aufgab.

Was seine Argumente zur Erschwerung der ökumenischen Beziehungen betrifft (»Vielmehr hofften auch evangelische Christen darauf, „dass Rom in den Fragen von Ehe und Familie evangelischen Verirrungen nicht folgt und als authentische christliche Stimme hörbar bleibt.“«), so können wir auf eine baldige Konversion des Bischofs zur römisch-katholischen Kirche hoffen. Andere mögen sich anschließen. So zollte der evangelische Regionalbischof Weiss dem katholischen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer „Großen Respekt“, »der in der EKD-Schrift einen Kurswechsel und eine Abkehr von der biblischen Sicht von Mann und Frau sieht.« [2]

Doch es gibt auch Lichtblicke, die hoffen lassen, daß das Brüllen des Löwen uns nicht erzittern läßt: »Begrüßt wurde [die Orientierungshilfe] … von den Landesbischöfen Ulrich Fischer (Baden), Ralf Meister (Hannover) und Heinrich Bedford-Strohm (Bayern) sowie der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann. Auch der Bundesverband „Evangelische Frauen in Deutschland“ und die Männerarbeit der EKD würdigten die Orientierungshilfe. Sie unterstütze Beziehungen, „die von verlässlicher Bindung, Verantwortung, Fürsorge und Respekt getragen sind – unabhängig von ihrer Form“, erklärten beide Verbände in Hannover.«2

Genau darum geht es, um verläßliche Bindung im Zusammenleben, um Verantwortung, Fürsorge und Respekt. Dafür bot auch die klassische Ehe keine Garantie.


9 Antworten

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  1. Nonnen said, on 28. Juni 2013 at 12:46

    Der gegengeschlechtliche Spiegel ist für die kindliche Entwicklung nicht unwichtig. Es ist eigentümlich, dass über die wunderbaren Ergänzungsmöglichkeiten von Frau und Mann kaum oder nicht gesprochen wird, denn das Gehirn ist das größte „Geschlechtsorgan“. Dort finden sich die wichtigsten, prägendsten und auch bereicherndsten Unterschiede zwischen Frau und Mann in den Bereichen „physiologische Abläufe“, „zentralnervöse Informationsverarbeitung“ und „genuinen, also angeborenen Denk- und Bewertungsprinzipien“. In Denk- und Bewertungsprinzipien, welche sich eben nicht einfach beispielsweise mit unterschiedlichen sozialen Erfahrungen in der Kindheit oder sonstigen sozio-kulturellen Einflüssen erklären lassen.
    Frauen haben z. B. mehr graue Gehirnzellen und weniger verknüpfende Nervenfasern im Gehirn: „Frauen können die einen Dinge besser, Männern die anderen; wir müssen lernen, einander zu helfen“.
    Damit und mit weiteren Unterschieden in den männlichen und weiblichen Gehirnen ist eine optimale Ergänzungsmöglichkeit der beiden Geschlechter trotz Konfliktstoff gegeben; Gleichheit kann sich höchstens addieren, Verschiedenheit kann wesentlich mehr erreichen (siehe Buch: „Vergewaltigung der menschlichen Identität. Über die Irrtümer der Gender-Ideologie, 3. Auflage, Verlag Logos Editions, Ansbach, 2013)

  2. Heidi Dettinger said, on 28. Juni 2013 at 20:18

    Kurios, dass es sich (fast) immer um Hetero-Männer handelt, die dafür plädieren, Kinder bei Vater und Mutter aufwachsen zu sehen.

    Klingt da vielleicht ein bisschen Panik durch? Die Panik nämlich, vielleicht – nachdem sie sich für Jahrzehnte und Jahrhunderte aus der Aufzucht der Brut weitgehend raus gehalten haben – nun tatsächlich überflüssig zu werden.

  3. Adele Rosenau said, on 7. August 2013 at 19:47

    Ist das nicht mehr als daneben, den Militärbischof dafür verantwortlich zu machen, dass so viele Männer, Söhne, Väter im Krieg geblieben sind? Hat er da schon gelebt? Ich habe lange in Bonn gelebt und den Vorgänger von Herrn Löwe gut gekannt. Der hat doch keine Soldaten in den Krieg geschickt. Außerdem war er nicht nur Militärbischof, sondern offizieller Vertreter der EKD bei der Regierung. Kein Militärbischof entscheidet über den Einsatz von Soldaten, er kann höchstens seine Meinung bei der Regierung dazu sagen.
    Ich bin dankbar, dass Herr Bischof Löwe ein klares Wort zu dieser unsäglichen Verlautbarung gesagt hat. Und Herr Bischof Fischer? Na, der ist inzwischen auch schon ein bißchen zurück gerudert. Weil viele Pfarrer/Pfarrerinen und auch Synodale, Gemeindeälteste genau der Ansicht von Bischof Löwe oder July sind. Und darum ein Protestschreiben dem Herrn Bischof Fischer überreicht haben.
    Also, lieber Herr Bischof Löwe brüllen Sie nur weiter, laut, klar, biblisch.
    Nichts ist schlimmer, als wenn sich Christen ducken, statt der Wahrheit Raum zu geben.

    • dierkschaefer said, on 8. August 2013 at 09:33

      Bitte genau lesen. Ich habe geschrieben: „Ausgerechnet ein Ex-Bischof, der für eine Berufsgruppe zuständig war, die, wenn auch nicht gezielt, dafür sorgt, daß viele Kinder vaterlos aufwachsen müssen. Kein Wort zu den Kriegswaisen oder auch den Kriegerwitwen, für die Gesellschaft und Kirche keine Lebenshilfe angeboten haben, als ihre Männer nicht oder ihrer Persönlichkeit entkernt aus dem Krieg zurückkehrten. Schon damals, nach 1945, hätten wir andere Ehe- und Familienvorstellungen entwickeln müssen. Löwe vermißt auch die theologischen Gründe für die »problematische Tradition evangelischer Anpassung an den Zeitgeist«. Er hätte sich auch bemühen können um die problematische Anpassung der Kirche nach Konstantin, als sie den Widerstand gegen den Militärdienst aufgab.“ Diese Seite der Auswirkungen von Militär hat den Löwen anscheinend nicht gekümmert, das ist der Punkt.

      • Adele Rosenau said, on 9. August 2013 at 00:54

        Nun, der Ex-Militärbischof hat ja nicht ein eigenes Papier entworfen, sondern nur auf das geantwortet, was die EKD so herausgebracht hat. Familien von Militärpersonal sind wohl in der Minderheit. Und hier geht es um die grundsätzlichen biblischen Begriffe von Ehe und Familie.
        Vielleicht lesen sie auch noch andere Antworten von evangelischen Christen, die dieses Papier kritisieren, etwa von Prof. Eibach aus Bonn oder aus unserer Badischen Landeskirche von Pfarrer Gerrit Hohage (in Zusammenarbeit mit mehreren Pfarrern).
        Also, Herr Löwe kann doch nicht explizit über die Lage von heutigen Soldaten schreiben, wenn es um dieses Papier geht. Das kann er natürlich tun, wenn es eben speziell darum geht, wie man Familien von Soldaten in eben ihrer besonderen Lage helfen kann. Man kann eben nicht immer ins Besondere gehn, wenn es um die Allgemeinheit geht. Und um die geht es in diesem Papier.

      • dierkschaefer said, on 14. August 2013 at 11:09

        Da liegt offenbar ein Mißverständnis vor. Das Allgemeine muß auch für das Besondere gelten können. Wenn ich daran erinnert habe, daß es eine erhebliche Begleiterscheinung militärischer Betätigung ist, Witwen und Waisen zu produzieren, dann erstaunt es, zumindest mich, daß ein Ex-Militärbischof sich darüber anscheinend während seiner Tätigkeit keine Gedanken gemacht und nicht überlegt hat, daß das herkömmliche Familienmodell für die Folgeerscheinungen nicht taugt. Hingegen ereifert er sich über die Aufwertung alternativer Familienmodelle, die vielleicht geeignet wären, für die Defizite des herkömmlichen Modells Lösungen zu finden, die den betroffenen Menschen bessere Lebenswege eröffnen. Nun, an die Witwen und Waisen hat mal wieder niemand gedacht, auch nicht der Militärbischof.
        Doch auch Ihnen, sehr geehrte Frau R., geht es ohnehin um etwas anderes, nämlich um das Sakrileg der Antastung nur scheinbar gottgegebener Lebensordnungen. Mit Vorstellungen von Prof. Eibach habe ich mich bereits in anderem Zusammenhang auseinandergesetzt. Er hat meine Antworten auf seine Artikel im Pfarrerblatt erhalten – und nicht reagiert. Lassen wir ihn – und andere, die ich durchaus auch zur Kenntnis genommen habe.
        Worum geht es? Sie schreiben, es gehe „um die grundsätzlichen biblischen Begriffe von Ehe und Familie“. Sind die wirklich so eindeutig? Die Präferenz für die Monogamie hat sich erst spät herausgebildet und Luther wie Melanchton haben einem Landgrafen davon dispensiert. Zutreffend ist sicherlich die durchgängige Verdammung von Homosexualität in der Bibel. Die Verfasser der Orientierungshilfe waren leider nicht mutig genug. Sie hätten deutlich machen müssen, daß sie auch gegen die biblische Aussagen Stellung beziehen, und dies aus gutem Grund. Denn was Jesus über den Sabbat gesagt hat, gilt auch für die Bibel. Sie ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für die Bibel. Prof. Käsemann sagte in einer seiner Vorlesungen, die Bibel sei uns nicht als Podest gegeben. Sie ist seit langem nicht mehr das unverrückbare Fundament. Sie bietet uns auch durchaus unterschiedliche Gottesbilder und daraus abgeleitete Rollenzuweisungen für Juden und Christen. So das schöne Bild von den Kindern Gottes. Ausgehend von diesem Bild läßt sich doch fordern, daß die Kinder erwachsen werden sollen und – bei allem Respekt – auf Augenhöhe mit ihrem Vater sprechen. Wir wissen doch, daß Kinder trotz Wertschätzung für ihre Eltern, manches im Leben anders machen und gute Gründe dafür haben.

        Was ich der Orientierungshilfe vorwerfe, halte ich für viel gravierender als die fundamentalistischen Einreden. Man hat nicht an das Kindeswohl gedacht – und das dürfte in der Regel in der klassischen Familienkonstellation am besten gewahrt sein. In der Regel, sage ich, wenn also die Familie nicht durch Gewalt und Geringschätzung der Kinder geprägt ist, was leider oft genug vorkommt, – oder wenn die Familie durch staatliche Gewalt zur Rumpffamilie wird, wie bei militärischen Einsätzen, und das Eiserne Kreuz weder den Mann noch den Vater ersetzt. Ist ja leider wieder aktuell geworden, doch dazu brüllt der Löwe nicht.
        Die Orientierungshilfe hat die partnerschaftliche Verantwortung in den Mittelpunkt gestellt. Das halte ich für wesentlich und darum auch theologisch für gut. Diese Verantwortung war und ist allerdings nie garantiert – auch nicht in der herkömmlichen Ehe.


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