Der Aufschrei eines Pfarrers: Ich habe jegliches Vertrauen in meine Landeskirche verloren.
Ein Aufschrei, so ist der Beitrag von Klaus Spyra untertitelt: DEUTSCHES PFARRERINNEN- UND PFARRERBLATT 2/2024. Der Titel zielt auf die bayrische Landeskirche, in der er Pfarrer er ist: „ICH HABE JEGLICHES VERTRAUEN IN DIE ELKB VERLOREN“
Regelmäßig werden die Ausgaben ins Archiv des Pfarrerblatts – online erreichbar – eingestellt, so auch die Ausgabe vom Februar. Nur sein Beitrag ist im Archiv des Pfarrerblatts zur Zeit nicht aufzufinden.
Zensur? Bereinigung des Archivs? Wer hat das veranlasst?
Ich will aus dem Artikel nur den Eingang zitieren, da ich den kompletten Artikel hier nicht wiedergeben darf. (Man kann ihn von mir privat per Mail anfordern. ds@dierk-schaefer.de ) . Sein Aufschrei sollte jedenfalls nicht erstickt werden:
„Ein Aufschrei
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss das euch hier schreiben und erzählen, was mir passiert ist. … Ich schreibe das hier, um selbst zu (über)leben, ansonsten ersticke ich an Bitterkeit und Verhärtung. Uns ist allen klar, gerade uns Betroffenen von sexualisierter Gewalt, dass die Missbrauchskrise mit der Veröffentlichung der ForuM-Studie nicht vorbei ist. Weder für uns persönlich noch für die Kirche. Ganz konkret heißt das für mich – und ich weiß für viele hier lesende Betroffene auch: Der Diakon, der mich missbraucht hat, und diejenigen, die ihm das ermöglicht haben (uns Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren ihm zugeführt haben), sind dafür bis heute nicht zur Verantwortung gezogen worden. Die ELKB und die ihr zugeordnete Diakonie, hat gegen meinen Täter, Ermöglicher und Vertuscher gar nicht ermittelt.“
Inzwischen melden sich weitere Pfarrer bei ihm, die auch missbraucht wurden.
Im Editorial des Pfarrerblattes schreibt Dr. Peter Haigis:
„Am Donnerstag, den 25. Januar 2024, übergab der ‚Forschungsverbund ForuM‘ Vertreter*innen der EKD und der evangelischen Landeskirchen im Rahmen einer Pressekonferenz in Hannover seine Studie zu sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche. Wer an diesem Tag überrascht oder gar mit einem Aufschrei des Entsetzens die Veröffentlichung der Ergebnisse zur Kenntnis genommen hat, muss wohl in den Jahren zuvor mit verschlossenen Augen den Problemen sexueller Gewalt gegenübergestanden haben ….“
Die evangelische Kirche stehe:
„vor einem Scherbenhaufen. … Bereits 2010 waren die ersten Missbrauchsvorwürfe auch innerhalb der evangelischen Kirche und der Diakonie öffentlich geworden. Das Deutsche Pfarrerblatt … veröffentlichte dazu den Bericht eines württ. Kollegen, Dierk Schäfer, der sich der Aufarbeitung der Misshandlungen gegenüber Heimkindern („Runder Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“) gewidmet hat (5/2010, 236ff). Seine Forderungen aus den Erfahrungen mit verschleppter Bearbeitung dort hatten das Ziel, Sensibilität für vergleichbare Probleme der Gegenwart zu wecken. Die (amtskirchliche, aber auch kollegiale) Resonanz auf seinen Weckruf bezeichnet Schäfer heute rückblickend als enttäuschend.“
Ich, Dierk Schäfer, hoffe, dass die Landeskirche von Herrn Spyra den Scherbenhaufen nicht noch vergrößert. Über ihm schwebt jedenfalls ein Disziplinarverfahren.
Das Täterschutzprogramm der hannoverschen Landeskirche
In der Audiothek der ARD gibt es den Podcast Sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche – Warum fällt Aufarbeitung so schwer? https://www.ardaudiothek.de/episode/vertikal-horizontal-glaubens-und-gewissensfragen/sexualisierte-gewalt-in-der-evangelischen-kirche-warum-faellt-aufarbeitung-so-schwer/ndr-info/13194899/
Dort wird der hannoverschen Landeskirche ein Täterschutzprogramm attestiert, der Landesbischof habe ebenso wie seine Kirche katastrophal versagt.
Dies kann ich bestätigen. Am 1. März schrieb ich dem hannoverschen Landesbischof ein Mail, (veröffentlicht in meinem Blog unter https://dierkschaefer.wordpress.com/2024/03/01/sehr-geehrter-herr-landesbischof-vor-knapp-drei-jahren-riefen-sie-mich-an/ ) und erinnerte ihn an ein Telefongespräch vom Juni 2021 https://dierkschaefer.wordpress.com/2021/06/11/sehr-geehrter-herr-landesbischof/ .
Das war wohl vergebliche Liebesmüh. Was soll man von einem Landesbischof auch halten, der seit seiner Amtseinführung im Herbst 2010 nicht den Vertrauensverlust der Kirche(n) im Umgang mit ehemaligen Heimkindern und missbrauchten Kindern und Jugendlichen wahrgenommen hat?
Zeitgleich mit seinem Amtsantritt veröffentlichte ich im bundesweiten Pfarrerblatt meinen Artikel Die Kirchen und die Heimkinderdebatte, Scham und Schande, Deutsches Pfarrerblatt – Heft: 5/2010, http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=2812
Das muss er damals nicht gelesen haben. Doch er hat mir vor drei Jahren zugehört und sollte verstanden haben, dass Kirchen ihren Grundauftrag verraten haben, indem sie nicht für die Opfer eintraten, sondern die Täter und ihre eigenen Kassen schützten.
Wie ich aus informierten Kreisen weiß, werden meine Beiträge sowohl im Blog als auch im Pfarrerblatt im hannoverschen Landeskirchenamt gelesen.
Umso schlimmer!
מְנֵ֥א מְנֵ֖א תְּקֵ֥ל וּפַרְסִֽין
Wer ritt die Kirchen in die Scheiße?
Wer ritt die Kirchen in die Scheiße? Man verzeihe mir die grobe Wortwahl. Der Religionssoziologe Detlef Pollack drückt das vornehmer aus: „Kirchenimage durch Forum-Studie verschlechtert“.[1] Klar, der schaut ja auch unbeteiligt von außen auf die gar nicht so neuen Erkenntnisse. Ich bin Pfarrer (i.R) und mir tut es weh, wenn ich sowohl auf das Image schaue, besonders aber auch auf die Sendung der Kirche, die pervertiert wurde durch die Täter und die „Professionalität“ ihres gut dotierten Führungspersonals.
Der komplette Text hier im pdf:
[1] https://www.katholisch.de/artikel/50656-religionssoziologe-kirchenimage-durch-forum-studie-verschlechtert
Die Weihnachtsgeschichte für Erwachsene
Hier ist sie. Sie steht beim Evangelisten Johannes:
WHOW!: DIE INTERNATIONALE erklang in der Göppinger Stadtkirche.
Aufgeführt wurde Gerhard Steiffs Blumhardt-Oratorium „Salz für die Erde“.
Wer sich mit den Blumhardts beschäftigt, sieht dort keinen Widerspruch. Schon von August Bebel ist die Aussage überliefert: „Wenn er bei Blumhardt in Bad Boll sei, könne sogar er an Gott glauben.“
Also kein WHOW! Warum auch? Die Internationale hat mit Jesus gemein, dass man an sie glauben und sie beherzigen muss. Die Parusieverzögerung, das Warten-müssen auf die Einlösung der Versprechungen ist die große Glaubensherausforderung an beide Fraktionen.
„Leeres Wort: des Armen Rechte, Leeres Wort: des Reichen Pflicht! Unmündig nennt man uns und Knechte, duldet die Schmach nun länger nicht!“ Diese Worte der Internationalen hätten wohl auch die Blumhardts unterschrieben, wenn sie auch nicht zum Gefecht gerufen haben: Warten heißt ja nicht abwarten. Pressieren tuts schon. Auf: Ihr seid das Salz der Erde, werdet zum Licht der Welt.
Der Trick mit Runden Tischen – oder „Vor Tische las man‘s anders“
Das Zusammenspiel von katholischer Kirche, besonders Erzbischof Zollitsch, ist bewundernswert, wenn auch degoutant. Das muss man erst einmal können.
Degoutant und Runder Tisch – da war doch was? Man sollte das noch einmal aufrollen!
Ein paar Ansatzpunkte/Ansatzpersonen habe ich benannt. Da gab es als ausführende Person Dr. Antje Vollmer. (Der Runde Tisch Heimkinder und der Erfolg der Politikerin Dr. Antje Vollmer, nachzulesen in meinem Blog 31. Januar 2011, unter https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/01/31/der-runde-tisch-heimkinder-und-der-erfolg-der-politikerin-dr-antje-vollmer/.
Am Beginn steht die damalige Familienministerin von der Leyen. Wie es weiterging mit den Tricksereien habe ich bei meiner Anhörung am Runden Tisch am 2. April 2009 referiert. (nachzulesen in meinem Blog: 5. April 2009: „Anhörung /Runder Tisch“, https://dierkschaefer.wordpress.com/2009/04/05/anhorung-runder-tisch-2-april-2009/ , dort „Phase 2“.
Zudem hatte ich Verfahrensvorschläge unterbreitet „zum Umgang mit den derzeit diskutierten Vorkommnissen in Kinderheimen in der Nachkriegszeit in Deutschland“, nachzulesen unter: https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2009/04/verfahrensvorschlage-rt.pdf und: „Rück-Sicht, Wort zum Tag“, am 24. Januar 2009, https://dierkschaefer.files.wordpress.com/2009/04/rueck-sicht.pdf .
Doch da stand ich zusammen mit den Heimkindern allein auf weiter Flur.
Eine weitere „Verdachtsperson“ ist der Archivar der Diakonischen Werks der EKD. Im Blog am 9. September 2011, nachzulesen unter: „JUBILATE“, https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/09/09/jubilate/ Damals fragte ich: „Warum steht ausgerechnet ein Archivar in der vordersten Reihe?“
So ging das Vertuschungs- und Verzögerungs-Karussell weiter. Die Medien schrieben von Entschädigung, doch die dürftigen Zahlungen sollten keinesfalls „Entschädigungen“ sein, denn die hätten einklag- und vererbbar sein können – und der Staat spielte mit. Warum wohl? Dazu mein Beitrag vom 3. Januar 2010 „Auf der langen Bank? Freeze now!“, nachzulesen unter https://dierkschaefer.wordpress.com/2010/01/03/auf-der-langen-bank-freeze-now/
Der vorzüglich recherchierte Beitrag von „Christ und Welt“ regt zum Nachdenken an.https://epaper.zeit.de/article/9b4e1f8646cf9d6088c969a43e175962fdf7051b29f5f7e3bcc35a9084e345a2
Gewiss: Die ehemaligen Heimkinder kamen meist vom Rand der Gesellschaft, die Missbrauchten meist aus der bürgerlichen Mitte. Da sollten wir aber keine Unterschiede machen, sondern endlich die Rolle von Staat und Kirchen untersuchen. Diesmal ständen die zumeist evangelischen Heime im Focus, allerding auch die staatlichen, in denen es nicht besser war.
Dies schreibt der evangelische Pfarrer i.R. Dierk Schäfer. Ich habe in der Missbrauchs-Sache mehrmals Artikel in meinen Blog gestellt, besonders „Es klebt wie Hundedreck unter den Schuhsohlen“, am 17. August, 2022, https://dierkschaefer.wordpress.com/2022/08/17/es-klebt-wie-hundedreck-unter-den-schuhsohlen/
Mein Archiv ist voll und steht staatlichen Aufklärern, wenn es sie denn geben sollte, zur Verfügung. Allein im Blog ergibt das Stichwort Tisch 23 Beiträge.
Vereidigung – eine Schnittstelle zwischen Staat und Kirche
Junge Polizeibeamte werden zu Dienstbeginn feierlich auf das Grundgesetz vereidigt. Bei der Feier zugegen sind zudem Angehörige der Polizeibeamten, politische Vertreter der Kommune und des Landes, auch die Bundeswehr war regelmäßig vertreten und die Lokalpresse. Der Innenminister hielt eine Ansprache, soweit er nicht verhindert war.
Von uns Polizeipfarrern[1] wurde erwartet, im Berufsethischen Unterricht noch vor der Vereidigung das Thema zu behandeln. Inhaltliche Vorgaben gab selbstverständlich nicht[2].
Die aktuelle Diskussion über Polizeieinsätze gegen Demonstranten der „letzten Generation“
ließen mich Rückschau halten. Von Stichworten wie Wackersdorf oder Tiefflieger abgesehen ist meine Vereidigungsansprache noch aktuell:
[1] Wir Pfarrer (evangelisch&katholisch) wechselten uns in dieser Aufgabe ab.
[2] So etwas habe ich in meiner gesamten Berufslaufbahn als Pfarrer nie erlebt, von niemandem.
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