Dierk Schaefers Blog

Ich wär so gerne ganz auf Ihrer Seite, …

Posted in Christuskirche/Bochum, Hans-Ehrenberg-Gesellschaft, heimkinder, Kirche, Politik, Theologie by dierkschaefer on 19. November 2011

… lieber Kollege Wessel. Doch wahrscheinlich bin ich selber schuld. Habe ich Sie doch bereits mit meinem ersten Kommentar „ins Mon­ar­chi­sche hin­über genu­delt“, wie Sie schrieben. So sind Sie durch mich zum Monarchen geworden, der auf seiner Seite nur zuläßt, was in seinem Sinn ist. Also auch Kritik nur, wenn er sie beherrschen kann oder will. Störendes wird weg-moderiert, ganze Beiträge, aber auch einzelne Sätze wie: Wenn Frau Vollmer also meinen sollte, „die“ ehemaligen Heimkinder hätten zugestimmt, dann hat sie sehr befremdliche Vorstellungen von Demokratie. Ich sehe bei diesem Konditionalsatz keinerlei Streichungsbedarf. Sie lehnen Zweit- und Drittverwertungen der Beiträge und auch Verweise auf andere Web-Seiten ab. Das verstehe ich gut, denn damit werden Informationsmonopole durchbrochen.

Dabei macht Sie mitunter Ihre Ratlosigkeit menschlich. Wenn Sie z.B. an Heidi Dettinger schreiben: Was ich nicht ver­stehe, wenn hier die immer sel­ben Leute jeden Ver­such boy­kot­tie­ren, dar­über nach­zu­den­ken, was mit der Demo poli­tisch erreicht wer­den soll. Sobald man an die­sen Punkt kommt, bal­lert Bad Boll. Bad Boll ballert ist ein schöner Stabreim. Schäfer schießt wäre nicht ganz so stilvoll gewesen. Doch bevor ich zu politischen Zielen der Demonstration komme, möchte ich Ihnen ein paar Bälle noch einmal zuspielen, in der Hoffnung, daß Sie bei ballern nicht an Kanonenkugeln gedacht haben. Auch in der Hoffnung, daß Sie nicht schon wieder Majestät spielen und das tun, was Sie moderieren nennen.

Warum sind Sie nie auf folgende Punkte eingegangen?

1. Die Kürzung des Budgets für den Runden Tisch und die schiefe Machtverteilung.

Beides hat Frau Vollmer ganz offenbar akzeptiert. Wie Sie bei einer solchen Ausgangslage von Demokratie sprechen können, ist erklärungsbedürftig. Bitte erklären Sie.

2. Die nicht gewährte Unterstützung der am Runden Tisch vertretenen ehemaligen Heimkinder in juristischen Fragen und in Verhandlungskompetenz.

Sie bemühen hier das bekannte aber unzutreffende Argument, der VeH habe sich auf einen speziellen Opferanwalt festgelegt. Doch das ist nicht haltbar. Da der VeH schon längst nicht mehr beteiligt war, hätte Frau Vollmer in Abstimmung mit den ehemaligen Heimkindern am Runden Tisch eine renommierte Anwaltskanzlei mit der Beratung der Heimkinder beauftragen können. Hat sie aber nicht. Das heißt: Frau Vollmer hat nicht nur die schiefe Machtverteilung als Ausgangslage akzeptiert, sondern diese auch später nicht einmal ansatzweise kompensiert. Sie, sehr geehrter Herr Wessel, scheinen unter Demokratie eher die wie auch immer geordneten Verfahren zu verstehen, nicht aber Inhalte wie Fairneß und angemessene Partizipation.

3. Sprecher und Stimmen. Frau Vollmer hat deutlich weniger Stimmen ehemaliger Heimkinder aufzubieten als beide Abstimmungen. Zudem war die „Ziehung“ ihrer Stichprobe methodisch mindestens so angreifbar, wie die durch den VeH und die meine. Nur: Frau Vollmer gibt’s nicht zu – und Sie gehen nicht sachlich darauf ein.

4. Frau Vollmer wurde von Beginn des Runden Tisches an auf die Probleme seiner Entstehung, seiner Konstruktion und seiner Abschottung hingewiesen, nachweislich. Sie hat nicht erkennbar reagiert. Auch nicht auf die kompetenten Einwände von Prof. Kappeler zum Zwischenbericht. Warum gehen Sie, sehr geehrter Herr Wessel, nicht auf diese Beratungsresistenz zulasten nur einer Seite am Runden Tisch in ihren Beiträgen ein?

5. Erika Bach schrieb an Helmut Jacob: »Ich finde es ungeheuerlich, was die Herren sich da haben einfallen lassen. Abgesehen von der massiven Ohrfeige, die alle Betroffenen bekommen haben, ist es eine unbeschreibliche Geschmacklosigkeit, den ehemaligen Juden und Christ zu benutzen. Der Hans-Ehrenberg-Preis hat sicher eine andere Klientel im Auge als eine solche Frau für diese Arbeit zu ehren. Das ganze ist ungeheuerlich und ohrfeigt nicht nur Euch, sondern auch den Stifter des Preises«.

»Erika Bach und ihr späterer behinderter Ehemann Dr. Ulrich Bach, ausgewiesener Experte in Sachen Diakonie, lebten viele Jahre in Bochum. Beide hatten in ihrer Verwandtschaft Pfarrer, die Hans Ehrenberg und sein Schicksal kannten«, schreibt Helmut Jacob zur Erläuterung. Warum unterdrücken Sie solche Stimmen, die genau das ausdrücken, was viele ehemalige Heimkinder angesichts der Preisverleihung an Frau Vollmer empfinden?

Sie mögen fragen, was viele heißt. Allein die Verteilung auf Ihrer Web-Seite beantwortet die Frage. Ich kann hinzusetzen: Seit knapp zehn Jahren stehe ich persönlich, telefonisch, schriftlich mit einer großen Zahl von ehemaligen Heimkindern in Kontakt. Sie haben mir ihre Schicksale mitgeteilt und bei manchen ging das über ihre Kräfte. Diese „Mühseligen und Beladenen“ sind es, die sich durch den Runden Tisch betrogen und durch die Preisverleihung verhöhnt fühlen. Das einfach abzubügeln mit dem Argument, es gehe ja gar nicht um die Ergebnisse, nicht einmal um den Runden Tisch, das ist menschlich unanständig.

Und nun zur Demonstration und Ihrem Nachdenken, was damit politisch erreicht werden soll. Ich will Ihnen ja keine böse Absicht unterstellen. Doch Ihnen sollte bewußt sein, daß die Ergebnisse des Runden Tisches, also der Bemühungen von Frau Vollmer, nur gerichtlich ausgehebelt werden können – und ich hoffe, daß sie das werden. Eine Demonstration hilft doch allenfalls, die einseitige Berichterstattung vieler Medien zu korrigieren. Sie hilft hoffentlich deutlich zu machen, wie dort getrickst wurde. Erwarten Sie wirklich, daß diese geschundenen und betrogenen Menschen nicht in erster Linie an ihre emotionalen und elementaren Bedürfnisse denken, sondern an die Pflege demokratischer Rituale? Die Demonstration als Lehrstück in Sachen Demokratie sehen zu wollen, heißt doch diese Menschen vorzuführen. Denn sie haben unseren Rechtsstaat am eigenen Leibe erfahren, als der sie unausgebildetem und schlecht bezahltem Personal überließ, seine Aufsichtspflicht nicht wahrnahm und Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche nicht einmal korrekt verwaltete. Diese Rechtsordnung kehrte sich dann auch noch mit der Verjährungseinrede gegen die ehemaligen Heimkinder. Und dieser Staat tritt nicht korrigierend entgegen, wenn etwaige Leistungen als „Entschädigung“ plakatiert werden. Nein, wer Demokraten will, muß Kinder zu Demokraten erziehen.

Apropos Demokratie: Unabhängig von der Heimkinderfrage empfehle ich Ihnen die Lektüre von Hans Herbert von Arnim, Das System. Der Untertitel heißt; Die Machenschaften der Macht.

 

Nachtrag: Dieser Beitrag wurde von Herrn Wessel raus-selektiert. Fragen, auf die er zuvor schon keine Antwort hatte, mag er nicht schon wieder veröffentlichen. Wenn er solche unverdaulichen Artikel auskotzen würde, dann … ja, wenn man die Methoden der Heimerziehung anwenden würde … dann würde man sie ihm wieder reinstopfen. Was hat der Mensch doch für ein unverdientes Glück.

7 Antworten

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  1. Heidi Dettinger said, on 20. November 2011 at 01:36

    Endlich, endlich habe jetzt auch ich begriffen, wozu diese ganze Preisverleihung gut ist. Denn für irgendetwas gut sein MUSS sie zwangsläufig, sonst würde sie gar nicht passieren oder im Falle eines „Fehltrittes“ seitens der Findungskomission wäre es wahrscheinlich nicht mal eine große Sache, das richtig zu stellen.

    Aber – hier endlich des Rätsels Lösung:

    Mit dieser Preisverleihung wird ein ein bisschen mehr an Antje Vollmers „Gutmenschen-Image“ gebastelt. Und eines ist doch klar: Ein Gutmensch ist deshalb ein Gutmensch weil er nie und nimmer nicht was Schlechtes tun kann. Ein RICHTIGER Gutmensch kann also auch niemanden über einem Runden Tisch ziehen, niemanden verhöhnen, niemanden aus- bzw. be-nutzen. Und zwei Dinge KANN ein Gutmensch gar nicht: Lügen und Druck ausüben!

    Na also… Rätsel gelöst – und was ist nun der Preis?

    • Helga Weitzel said, on 20. November 2011 at 10:07

      Ich werde Frau Vollmer auch einen Preis verleihen, einen „MÜHLSTEIN“

      Jesus sagte: „Wer sich an Kindern schuldig macht, soll ein Leben lang einen Mühlstein tragen.

      „Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher“

  2. Felix-Werner Winnig said, on 20. November 2011 at 12:49

    …………ich glaubte viele Jahre, daß meine Mitmenschen etwas/ein wenig/im Ansatz gelernt haben.
    Die in den letzten Monaten erworbene Erkenntnis, daß dem nicht so ist, erfüllt mich mit großer Traurigkeit
    Menschen wie Vollmer und Wessel haben mich meine Naivität erkennen lassen. – Was war ich ein Narr………

    Wenn du weinend die Welt durchschaust,
    wenn du dich nichts zu sagen traust,
    wenn in dir das Glück vergeht
    und du nur noch aus Verzweiflung bestehst,
    wenn der letzte Hauch Hoffnung vergeht,
    die Liebe nur noch in deinen Träumen lebt –
    dann musst du kämpfen,
    sonst ist es zu spät!

    Mir zugesandte Erkenntnis eines ehemaligen Zwangsarbeiters

  3. Rosi A. said, on 20. November 2011 at 15:36

    Herr Schäfer, mir hat mein Rechtsanwalt vor zwei Tagen gesagt wir müssen die Presse als wichtigstes Druckmittel immer und immer wieder für uns angagieren. Das sei sehr wichtig.
    So sehe Ich es auch mit der Demo jetzt in Bochum.Es ist ja eigentlich eine Unterstellung von Herrn Wessel an unsere Unfähigkeit der Demo einen Grund zu geben , außerhalb der Theologie so wie Ich dieses gefaasel sehe.
    Im Gegenteil, Ich bin überzeugt ein gewisser Fundamentalismus was die Wahrung der Grundgesetze und Menschenrechte beinhaltet rechtfertigt allemal unser Anliegen. Meine Meinung auch ,, Ich muß mich nicht in höheren geistigen Gefilden bewegen denn da verliert man oft den Bezug zur Realität und übersieht doch glatt die eigentlichen Probleme denen nicht geholfen wurde.100 Paragrafen zu einem Gesetz, dann erkennt man das ursprüngliche Gesetz kaum noch.
    Und ,, die Kuh vom Eis holen ,, wäre doch eine riesen Blamage und sehr Erklärungsbedürftig.
    Danke das Sie sich sehr für unser Anliegen einsetzen,, denn Ihrer ist das Himmelreich,, . Sie können morgends getrost in den Spiegel schauen
    MfG

  4. sabine s. said, on 20. November 2011 at 19:57

    Es ist beruhigend zu lesen, dass nun endlich ein aktives Mitglied des Heimkindervereins den Sinn dieser Preisverleihung begriffen hat – so scheint es jedenfalls.

    Inspiriert dadurch habe ich noch eine Idee, wozu die Preisverleihung an Frau Vollmer dient: Sie macht erst einmal deutlich, dass Heimkinder durchaus in der Lage sind, gemeinsam über das Internet etwas zu organisieren und miteinander ins Gespräch zu kommen. Brötchen, Mea Culpa… leisten wir wirklich tolle Arbeit.

    Man stelle sich vor, nicht Frau Vollmer würde geehrt werden: Worüber würden wir jetzt hier diskutieren? Welche Themen hätten wir? Würde es überhaupt zu einem „Treffen“ ehemaliger Heimkinder kommen? Könnten wir uns – nach Berlin – erneut aufraffen, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen? Welche Ziele haben wir/hätten wir?

    Es lohnt sich nach Bochum zu kommen, die Bevölkerung mit den Menschenrechtsverletzungen zu konfrontieren.

    So gesehen, war die Wahl eine Richtige – ganz eigennützig betrachtet.

    sabine s.

  5. Felix-Werner Winnig said, on 21. November 2011 at 14:03

    Brief an Freunde

    Seit Tagen, – nein, seit Wochen sitze ich hinter meinem Schreibtisch,
    recherchiere, bereite mich auf den 22.11.2011 in Bochum vor.
    Erschlagen von dem Echo auf die Preisverleihung, den damit
    verbundenen Unehrlichkeiten, deren faschistoiden Ähnlichkeiten mit
    anderem Vergangenem mir Übelkeit bereitet. –
    Es geht mir schlecht und ich bemerke, das ich mich dem Ende der
    Fahnenstange des Erträglichen nähere.

    Ich habe Antje Vollmer -bedingt durch meine frühere politische Arbeit- schon vor Jahre beobachten, kennen lernen können. Kennen lernen in einer Art und Weise, das schon frühzeitig eine intellektuelle Distanz zu dem demokratischen Gedankengut von Vollmer notwendig für mich machte.
    Ich habe –auch im Versuch die Person Vollmer zu verstehen, für mich zu begreifen- in den letzten Wochen ihre Arbeitsform versucht zu recherchieren. In ihrer selbstdarstellerischen WEB-Seite, über das Bundestagsarchiv, in ihrer unzählige Präsenz in der Öffentlichkeit und bin erstaunt zu der Erkenntnis gekommen:
    Hätte ich in dieser Vielfalt gearbeitet, 48 Stunden am Tag, 14 Tage die Woche, ich müsste fast präzise 132 Jahre, 4 Monate und 28 Tage alt werden, um diese Pensum zu bewältigen.
    Ich korrigiere alles:
    was bin ich kleines, dummes, ehemals geschundenes Menschenkind gegen diese hervorragende Frau? Welche Arroganz und Überheblichkeit hat mich geritten, gegen diese Frau -die von der göttliche Abstrahlung in ihrer unmenschlichen Leistung so begnadet wurde- demonstrieren zu wollen? Oder sollte ich diesen Gutmensch Vollmer durch meine Präsenz an dieser Demonstration mit zum Märtyrer machen?
    Ja. Ich denke, das hat sie verdient ! Und so rufe ich alle auf: geht alle zur Preisverleihung ! Bestätigt durch Eure Teilnahme ihre göttlichen Fähigkeiten, sonst wird sie sich in ihrer endlosen Bescheidenhit dessen nicht einmal bewusst
    Lasst uns Antje Vollmer also am 22. November durch unsere Teilnahme preisen und lobhudeln. Sie hat es wirklich verdient
    Liebe Grüsse
    Felix

    (Wie begründete die Findungskommission die Preisverleihung noch?:
    „………..wie preiswürdig darum Vollmers Definition von Demokratie:
    Sie sei die einzige Staatsform, die sich selber korrigieren kann……. “

    Wann, verdammt noch ´mal, korrigiert die Vollmer sich endlich selbst?

    • Helga Weitzel said, on 21. November 2011 at 18:35

      Darauf werden Sie lange warten müssen, Herr Winning.

      Frau Vollmer ist eine personifizierte Frau, eine Ombudsfrau, eine Schlichterin, wichtig scheint mir für sie, Anerkennung durch Bücher und Preise zu bekommen.
      Ob sie wohl noch in der Realität lebt?
      Schmückt sie sich nicht gerade mit fremden Federn?


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