Dierk Schaefers Blog

Privat-öffentlich – „Lindenmatinee“ zum 70.

Posted in Geschichte, Soziologie by dierkschaefer on 9. Februar 2014

Übereinstimmung und Unterscheidung prägen uns, unsere Lebensweise, unsere Art, die Welt zu sehen, unseren Charakter. Besonders prägend sind die ersten Lebensjahre, in denen die Übereinstimmung überwiegt. Blicke ich aus der Distanz von 70 Lebensjahren zurück, sehe ich bei aller Wertschätzung auch das allmähliche Herauswachsen aus den Übereinstimmungen.

Warum allein zurückblicken, sagte ich mir und lud im Rahmen meines 70. Geburtstags zu einer Lindenmatinee ein, auch eine Art von Public-Private Partnership. Linden ist ein recht besonderer Stadtteil Hannovers, was ihm auch seine Verächter zuerkennen. Dort verbrachte ich die ersten zwanzig Jahre meines Lebens.

Die Verbindungen mit Linden lebten wieder auf, als ich begonnen hatte, Kindheitsbilder ins Netz zustellen[1]. Die Folge waren Mailkontakte, viele Photos, persönliche Treffen und regelmäßig mir nach Süddeutschland zugeschickte Stadtteilzeitungen und Zeitungsausschnitte.

Das Netzwerk Archive Linden-Limmer e.V. [2] ist ein sehr rühriger Verein und recherchiert die Lokalgeschichte. So gewann ich Herrn Jürging vom Vorstand des Vereins für den ersten Vortrag, den zweiten hielt ich selbst. Werbung gab es nicht, aber die Stadtteilzeitung veröffentlichte eine Notiz und der Gemeindesaal von St. Martin war rappelvoll, als Michael Jürging unter dem launigen Titel: Soweit hätte es nicht kommen müssen – 900 Jahre Linden, an Beispielen die geschichtliche Entwicklung Lindens passieren ließ, unterbrochen und bereichert durch spontane Einwürfe der Zuhörer. Genau so war es gewollt: Eine Geschichtswerkstatt, die fortgesetzt werden kann.

Mein Vortrag hieß Eine Kindheit in Linden und umfaßte im wesentlichen die Jahre 1944 bis 1964, wie ich sie erlebt habe und heute sehe: Die Familie, die Kameraden, die Spiele, der „Kiez“, und die Rolle von Schule und Kirche für mich in dieser Zeit. Da gab es vieles für die Zeit Typisches, zu berichten. Auch hier wurde es lebhaft mit Zurufen und Ergänzungen.

Was besonders schön war: Es waren Spielgefährten von damals gekommen, von denen ich nicht gedacht hatte, sie jemals wiederzusehen, auch manche, die ich erst wieder „einordnen“ mußte und andere konnte ich beim besten Willen nicht in meiner Erinnerung unterbringen. Bilder und kleine Photoalben wurden gezeigt und wir beschlossen, in Kontakt zu bleiben. Dank Internet findet man mich und braucht nur zu googeln.

Privat-öffentlich, – es gibt ja nicht nur peinliche private Informationen im Netz und den sozialen Netzwerken. Sie können Ausgangspunkt werden für alt-neue Kontakte und für neu-alte Gemeinsamkeiten. Im nächsten Jahre feiert Linden sein 900jähriges Jubiläum.- Dies war ein guter Auftakt.

Nachmittag und Abend waren dann – wie auch der Vorabend – privat  mit der Familie und Freunden. Und das war dann wirklich privat mit den Erinnerungen und Darbietungen, wie man das zu einem solchen Anlaß so macht. Da will ich nicht weiter aus dem Nähkästchen plaudern. Nur so viel: Es ging auch um mich als Autofahrer. Und dazu fällt mir ein, daß ich doch noch eine Chance habe, in den Himmel zu kommen. Denn als ein Pfarrer und ein Busfahrer bei Petrus anklopften, schaute der in sein großes Buch, winkte den Busfahrer durch und schickte den Pfarrer in den Wartestand auf die harten Bänke des himmlischen Wartesaals. Wieso kommt der rein und ich muß warten?Wenn Du gepredigt hast, haben alle geschlafen, erwiderte Petrus, aber wenn der gefahren ist, haben alle gebetet.


6 Antworten

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  1. ekronschnabel said, on 9. Februar 2014 at 10:27

    Na, Pastor, mir geht es dann ja wie dem Busfahrer. Wenn die Kirchenoberen meine Texte gegen sie lesen,
    beten sie alle „Herr, mach‘ doch, dass der endlich die Schnauze hält!“ . Was ich nicht tun werde…

    • dierkschaefer said, on 10. Februar 2014 at 00:35

      Die können dann ja wegen nicht erhörter Gebete klagen: http://www.der-postillon.com/2011/12/eugh-grundsatzentscheidung-kirchen.html

      • ekronschnabel said, on 10. Februar 2014 at 01:16

        Hätte ich früher wissen müssen, dann hätte ich das so herum mit der „Entschädigung“ aufgezogen, und weit mehr Bares erhalten…
        Tauf- und Konfirmationsschein habe ich ja. Die Austrittsbescheinigung – damals noch vom Amtsgericht gegen DM 5,- ausgestellt – hätte ich ja nicht beifügen müssen.

  2. Rolf Schmidt said, on 9. Februar 2014 at 12:33

    Ja, Hannover im Jahr 1947, ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Mein Freund 13 Jahre alt und ich 12 Jahre alt, wahren auf der Walz und haben uns ohne unsere Eltern durch geschlagen. Was wir beide in dieser Zeit erlebt haben, könnte ein Buch füllen.
    MfG.

  3. Heidi Dettinger said, on 11. Februar 2014 at 15:26

    Ich gratulier dann mal zum Aufschlag (hoffentlich ohne allzu große Prellungen und Blessuren) in den Siebzigern! Und wünsch Ihnen allzeit Gutes und noch einige Freunde mehr.
    Einen Rückblick auf eine Kindheit mit Familie, Freunden und erfreulichem Umfeld – es muss etwas schönes sein, wenn man darauf zurück blicken kann…

    • dierkschaefer said, on 11. Februar 2014 at 15:36

      zunächst einmal herzlichen dank für die gratulation!

      wenn sie ganz richtig schreiben:

      „Einen Rückblick auf eine Kindheit mit Familie, Freunden und erfreulichem Umfeld – es muss etwas schönes sein, wenn man darauf zurück blicken kann…“,

      dann kann ich von mir nur sagen: war viel, zu viel problematisches dabei, also bestenfalls durchwachsen. ich verfüge nicht über den rückblick, der die vergangenheit vergoldet.


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