Dierk Schaefers Blog

»Wenn der Richter das gelesen hätte, dann hätten Sie keine zehn Jahre gekriegt.« XXVIII

logo-moabit-kDieter Schulz

Der Ausreis(ß)ende

oder

Eine Kindheit,

die keine Kindheit war

Achtundzwanzigstes Kapitel

Chef kann ich auch

„Da wäre aber noch etwas was ich Ihnen vorher noch sagen muss!“ Ich überwand meine Angst, mit der Wahrheit herauszurücken. Neugierig schaute er mich an. Wer A sagt, muss auch B sagen können. „Ich bin erst vor sechs Monaten aus dem Zuchthaus Celle, nach 25 Monaten Haft entlas­sen worden!“ So, nun war es heraus! Eigentlich war ich ja nie ein ängstlicher Typ. Als aber mein neuer Chef so plötzlich von seinem Stuhl aufstand, an mir vorbei zur Türe ging, erwartete ich zumindest, dass er mir abrupt die Türe zeigen würde, wenn nicht gar auf mich einschlagen. Hätte ich doch dafür sogar Verständnis gehabt. Wie konnte sich ein Ex-Zuchthäusler erdreisten, in so einem renommierten Gasthaus nach Arbeit nachzusuchen. Weil die Türe hinter ihm aber zuklappte, glaubte ich eher, dass er sich nur Verstärkung holen wollte, um mich aus seinem Büro hinaus zu befördern. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste, ich dagegen im besten Alter, dazu noch ein Verbrecher. Ich spielte schon mit dem Gedanken mich wie ein geprügelter Hund davon­zuschleichen, als auch schon die Bürotüre hinter mir geöffnet wurde. Unheil erwartend zog ich den Kopf ein. Erst als die teppichgedämpften Schritte neben mir an dem breiten, antiken Schreibtisch halt machten, ohne dass weitere Personen den Raum betraten, wagte ich meinen Kopf zu drehen. Vor bzw. neben mir, stand mein zukünftiger Arbeitgeber. Er setzte ein lederbezogenes Tablett mit Goldintarsienarbeit auf dem Schreibtisch ab.

Auf dem Tablett stand eine Flasche Cognac vom Feinsten. Einer mit fünf Sternen, versteht sich. Daneben zwei echte Cognacgläser. Ich meine damit diese überdimensionalen Gläser, wo sich das Aroma des Cognacs so richtig ausbreiten konnte, dabei kaum den Boden des Glases ausfüllend. Ich verspreche es allen, insbesondere denjenigen, die noch nie das Vergnügen hatten, an solch einem Tropfen zu schnüffeln, dass sie dieses einmalige Bukett nie wieder vergessen werden. Aus eben dieser Flasche goss er uns höchstpersönlich gerade soviel ein, wie es den Anstand nicht verletzte. Herr W. setzte sich sein Glas mitnehmend auf seinen Chefsessel, prostete mir zu und verlangte: „Na, dann erzählen Sie mal, Herr Schulz!“ Wie nahe er der Wahrheit war, als er noch scherzhaft hinzufügte: „Wen haben Sie denn umgebracht?“

Eingedenk dessen, dass ich meinem neuen Arbeitgeber gleich im vornhinein reinen Wein ein­schenken wollte, hatte ich in meiner Zeugnismappe auch die Urteilsbegründung von meiner Verurteilung mitgebracht. „Lesen Sie selbst!“ Damit reichte ich ihm die Drucksache des Gerichts hinüber. Und tatsächlich nahm er sich die Zeit das Urteil zu lesen. Nur hin und wieder schaute er forschend über seinen Brillenrand zu mir herüber. Er zeigte keinerlei Gemütsregungen beim Lesen. Nur einmal schob er sein Cognacglas näher zu mir, sagte: „Schenken Sie uns noch einen ein!“ Gleichzeitig mit dem Herüberschieben des gelesenen Dokuments nahm er seine Lesebrille ab, schaute mich erstaunt an und bemerkte erstaunt: „Dafür sind Sie verurteilt worden? Und ich dachte immer Notwehr wäre erlaubt!“ Abgesehen von dem Verständnis welches er mir entgegenbrachte, bestand er trotzdem auf einer 14tägige Probezeit. Was ich nur Recht und Billig fand. Mit anderen Worten ich war eingestellt.

Nur wer in Selbstmitleid versinkt, versinkt auch im Alkoholsumpf.

Natürlich wurde ich in der ersten Zeit ganz besonders unter die Lupe genommen. Die Arbeitsweise der bereits langjährig in seinem Betrieb arbeitenden kannte er ja bereits. Ich war es von meinen Anfängen in diesem Beruf gewohnt mit der auch in diesem Restaurant verkehrenden Prominenz umzugehen. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich dort bis zu meiner Rente arbeiten können. Doch wieder einmal machte die Justiz mir einen Strich durch die Rechnung. Oder auch meine unbeherrschte Wut über die Aussage, der beiden Bäckersöhne, denen ich im folgenden Frühjahr beim Frühlingsfest begegnete. Obwohl ich einen festen Arbeitsplatz und einen Wohnsitz hatte, alles Kriterien die eigentlich eine U-Haft überflüssig machen, wurde ich dennoch gleich in den Bau gesteckt. Mit der Reststrafe aus meiner Bewährungszeit von 11 Monaten verbrachte ich wieder 18 Monate hinter schwedischen Gardinen. 1972 stand ich dann wieder mit Nix auf der Straße. Nur wer in Selbstmitleid versinkt und das tun nicht wenige der Ex Knackis, versinkt auch im Alkoholsumpf. Der Abstieg zum Penner ist vorprogrammiert. Für solch eine Karriere war ich mir zu schade. Ich war, blieb ein stolzer und dickköpfiger Ostpreuße. Hatte ich doch bereits schon viel schwierigere Lebenslagen gemeistert.

Meine Perle hatte sich längst einen neuen Stecher zugelegt. Im Kröpke Cafe genoss ich meine neu­gewonnene Freiheit bei einer Tasse Kaffee und Cognac. Und wie es der Zufall wollte kam eine ehemalige Kollegin herein. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass sie schon längst ein Auge auf mich geworfen hatte. Ich glaubte sie zu schocken, als ich ihr unumwunden, als sie mich gefragt hatte, wo ich den solange gewesen wäre, die Wahrheit über mein zwischenzeitliches Studium der Knastologie und Gitterkunde berichtete. Verstehe einer die Frauen! Von wegen geschockt! Sie troff vor lauter Mitleid. Ich brauchte dann nicht nur nicht meine Zeche zahlen. Sie sorgte anschließend auch sehr hingebungsvoll dafür, dass mein Hormonhaushalt wieder in Ordnung kam. Von einem Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte ich bis dato noch nie etwas gehört. So verdiente ich mir mein Geld, wie schon zu TBC Zeiten, als Kaschemmenkellner im Rotlichtmilieu. Schwarz natürlich.

Ich meldete mich in einer Fahrschule an, begann auch gleich mit den Fahrstunden. Schon nach vier Wochen war ich reif dafür, die Prüfung abzulegen. Doch unser rechtstaatliches System hatte etwas dagegen, dass ein Vorbestrafter den Führerschein erwarb.

auf Grund meiner Vorstrafen nicht geeignet ein KFZ zu führen

Einen Tag vor meiner Prüfung flatterte wieder einmal ein blauer Brief ein. In der Zeit, wo ich beim DRK meinen Erste-Hilfe-Kurs-Schein gemacht und jede Menge Fahrstunden absolviert hatte, meine Theoriestunden besuchte, durchliefen meine Papiere alle Instanzen. Laut Führungszeugnis, so stand es in dem Schreiben, wäre ich auf Grund meiner Vorstrafen nicht geeignet ein KFZ zu führen. Basta! Abgesehen von den Unkosten die ich bereits gehabt hatte, regte mich ganz besonders der Zusatz im besagten Schreiben auf: Für den Ablehnungsbescheid, verlangte die Behörde, solle ich auch noch 40 Mark blechen. Fragen Sie mich bitte nicht, ob ich deswegen sauer war! Es gab da aber noch einen ganz anderen Aspekt. Meine neue Freundin, eine der ersten weiblichen ausgebildeten Kellnerinnen hatte schon viel mehr Erfahrung im Beruf gesammelt. Zum einen war sie zwei Jahre älter als ich, zum anderen fehlten ihr ja auch nicht meine verlorenen Knastjahre. In den letzten Jahren war sie eigentlich immer nur in den Wintermonaten in Hannover, um in der Nähe ihrer Familie zu sein und, weil sie nicht viel davon hielt, in der kalten Saison irgendwo im Schnee zu arbeiten. Aber in der Sommersaison, so erklärte sie mir, wäre ordentlich Kohle zu machen. So hatten wir längst beschlossen und natürlich auch bereits einen Arbeitsvertrag weiter südlich von Hannover unterschrieben. Genauer gesagt im schönen Spessart. Nur, um dort zu arbeiten brauchte man unbedingt einen fahrbaren Untersatz. Genau dort, wo man den Film „Das Wirtshaus im Spessart“[1] gedreht hatte, befand sich unser Arbeitsplatz. Vier Kilometer davon entfernt aber hatten wir uns eine Unterkunft ausgeguckt. Rohrbrunn war die nächste Ortschaft. Ansonsten gab es außer der Raststätte, wo wir arbeiten wollten, und viel Wald dazwischen keine andere Möglichkeit. Höchstens noch in Mespelbrunn, wo der andere Film mit Liselotte Pulver gedreht wurde. „Das Spukschloss im Spessart“[2].

Die RAF war schuld, dass mein führerscheinloses Fahren aufflog.

Aber das war noch weiter entfernt. Ich war mir ganz sicher die Führerscheinprüfung zu bestehen, hatte schon mal ein niedliches, kleines Auto, einen NSU Prinz als Gebrauchtwagen gekauft. Weil damals noch keine Nacht-, noch Autobahnfahrten im Programm standen, so übte ich dies schon mal ganz nebenbei. Einen Führerschein gab es also nicht; der Arbeitsvertrag unterschrieben, das Zimmer angemietet und ein Auto stand auch schon vor der Türe. Was also anderes tun als den Job annehmen? Ob nun mit oder ohne Führerschein. In der Folgezeit durchquerte ich damit ganz Deutschland. Von der Insel Norderney bis an den Tegernsee. Ein Tagesausflug nach Österreich war auch drin. Das ganze ging 26 Monate lang gut. Vom kleinen Prinz über VW und Ford Capri steigerte ich mich bis hin zum dicken fetten Mercedes. Die RAF war daran schuld, dass mein führerscheinloses Fahren aufflog. Nicht doch! Nein! Ich war kein RAF Terrorist! Es wurden nur die Verkehrskontrollen verstärkt. Vor allem kontrollierten die lieben Polizisten (grrrr!) mit Vorliebe die etwas größeren Autos, die von den RAF Gruppen bevorzugt gefahren wurden. Bei solch einer Kontrolle geriet ich ins Netz. Ende mit lustig. Außer dass man mir eine Strafe in Höhe von 1116 Mark aufbrummte, verhängte man dazu noch eine zweijährige Führerscheinsperre. Das war doch schon mal ein Lichtblick. War das erste Versagen eines Führerscheins ohne Zeitlimit verfasst, so konnte ich mich doch nun darauf einrichten, dass ich nach Ablauf von zwei Jahren doch noch zum begehrten Lappen kam. Bis das aber soweit war, gab es zwar noch erwähnenswerte Ereignisse, die Sie aber nicht alle wissen müssen. Pünktlich nach Ablauf von zwei Jahren meldete ich mich bei der zuständigen Behörde, um zu erfragen, ob ich denn nun endlich den Führerschein machen dürfe. Klar, wurde ich beschieden, wenn Sie den Psychologischen Eignungstest bestehen? Was war das denn? Ich erfuhr, dass man dieses auch gerne mit dem Idiotentest umschrieb. Was blieb mir anderes übrig? Wieder die vorge­schriebenen Fahrstunden. Theorie pauken. Bei der Prüfung selbst hatte der Prüfer schon nach 18 Minuten erkannt, dass ich zum Führen eines Pkws geeignet war. Wir fuhren zurück zur Fahrschule, wo an diesem Morgen alles mit der theoretischen Prüfung begonnen hatte und ging von da aus gleich um die Ecke zu meinem Mercedes! Was denn? Ich brauchte das Auto um zu meiner sieben Kilometer entfernten Arbeitsstelle zu kommen. Vormittags wäre es ja noch gegangen, mit dem Bus dorthin zu kommen, nachdem ich etwa zwei Kilometer bis zur Bushaltestelle zu Fuß zurückgelegt hätte. Aber nachts, wenn ich Feierabend hatte, fuhr gar kein Bus mehr! Ich nehme doch stark an, dass dieser Straftatbestand auch unter eine Verjährungsfrist fällt. Wenn nicht, auch egal. Ich kann mir mit meinen 451 EUR Rente ohnehin kein Auto mehr leisten. [3]

„Entweder du nimmst den Jungen oder ich stecke ihn ins Heim!“

In welchem Desaster der erste Versuch eine Familie aufzubauen geendet ist, haben Sie ja bereits gelesen. Ich möchte hier nicht auch noch in Erinnerungen schwelgen, was mir die Zweite einge­bracht hat. Nur soviel: das verflixte siebte Jahr! Hatte ich es schon wieder geschafft, durch meiner Hände Arbeit ganz weit nach vorne zu kommen, so fühlte sich meine um 16 Jahre jüngere Frau vernachlässigt. Sie trieb es doch tatsächlich im Nebenzimmer. Die erste und einzige Ohrfeige, die ich jemals einer Frau verpasst habe – und ich zog aus. Kurz bevor der Scheidungstermin anstand, kam meine zweite Frau zu mir, stellte mich vor die Alternative: „Entweder du nimmst den Jungen (mein dritter Sohn) oder ich stecke ihn ins Heim!“[4] Bei der bloßen Erwähnung des Wortes Heim klingelten bei mir sämtliche Alarmglocken. Sie erinnern sich an mein Heimleben?

Wenn man vom Teufel spricht…….Ende April 2006 lasse ich mich von der Sonne herauslocken. Ich lasse mich etwa vier Kilometer weit bis in die Stadtmitte treiben. Gerade noch hatte ich darüber nachgedacht, wie fremd ich eigentlich in dieser Stadt geworden war, weil ich doch ganze 10 Jahre völlig aus dem Verkehr gezogen worden war, da quert doch eine menschliche Gestalt meinen Weg die mir nur allzu vertraut erscheint. Immer noch der gleiche Haarschnitt und die eingefärbte tizianrote Farbe. Die Größe stimmte auch. Langsam begann ich ihren 20 Meter Vorsprung aufzuholen. Leichter konnte sie es mir nicht machen, um mir letztendlich sicher zu sein. Sie hielt vor einer öffentlichen Tele­fon­box, steckte eine Karte hinein. Derweil lehnte ich mich außen an die Plexiglasverkleidung und konnte ihr direkt ins Gesicht sehen. Kein Zweifel. Selbst nach über dreißig Jahren erkannte ich sie wieder.

An dieser Stelle muss ich nun doch nochmals auf meine Erinnerungen zurückgreifen. Hatte ich nur ziemlich kurz abgehandelt, dass ich im Jahre 1971 von einer erfahrenen Kollegin erstmals erfahren hatte, dass ein Kellner in der Sommersaison richtig gutes Geld verdienen kann, wenn man nur bereit ist die Großstadt zu verlassen und den Bewohnern in den Urlaub folgt. Es war dann nicht bei bloßer Kollegialität geblieben. Nachdem wir dann im Spessart eine finanziell erfolgreiche Saison durchgestanden hatten, fuhren wir führerscheinlos weiter zum Tegernsee und machten selbst erst einmal unseren wohlverdienten Urlaub. Wieder in Hannover eingetroffen, wo wir ja beide unsere Familienangehörigen hatten, dachten wir gar nicht daran vom Arbeitslosengeld zu leben. Denn in den Wintermonaten gab es wieder ein Überangebot von Servicepersonal in der Stadt. Viele in der Gastronomie Tätigen lebten von diesem Job Hopping.

Einer der größten Spielautomatenaufsteller der Stadt hatte mehrere Kneipen von den Brauereien angepachtet. Für die Bewirtschaftung dieser Kneipen suchte er Leute, die auf Prozentbasis in seinen Kneipen arbeiteten. Wir meldeten uns, ließen uns die Geschäftsbedingungen erklären und zeigten uns bereit, solch einen Job bis zur nächsten Sommersaison anzunehmen. Von allen von ihm gelie­ferten Getränken bekamen wir unsere 10% Provision. Kaffee und Tee konnten wir auf eigene Rech­nung verkaufen. Der Boss war ganz schön sauer, als unser Verbleiben bei ihm nur knapp zwei Monate anhielt. Eigentlich sollten wir am Sonntag auch mal ein paar Stunden für uns haben. Es stand im Vertrag, dass wir am Sonntag nach dem Frühschoppen, der um 13 Uhr endete, die Kneipe schließen durften. Aber machen Sie mal den Stammgästen, die hauptsächlich aus Jung­gesellen bestanden, klar dass sie nun nach Hause zu gehen hatten. Die meisten standen schon morgens gegen neun Uhr vor der Türe, bis gegen 13 Uhr hatten sie schon so einiges Intus und stellten sich dann einfach stur, wenn es hieß: große Pause bis 18 Uhr. Auch an schlechten Novem­bertagen kamen meine Mutter und mein Stiefvater angeradelt, um ein paar Sonntags­stunden mit mir zu verbringen. Da man mir nachsagte, dass alles was ich koche auch gegessen werden könnte, war es für mich eine Freude, auch mal meine Mutter verwöhnen zu dürfen. Also bereitete ich in der winzig kleinen Küche ein Sonntagessen für uns vier Personen. Zwar hatte ich die Kneipentüre abge­schlossen, aber einige Unentwegte konnte ich einfach nicht rausbekommen. So lief denen dann das Wasser im Munde zusammen, wie sie zusehen mussten, wie wir am Stamm­tisch sitzend unsere Mahlzeit verzehrten. Ich weiß noch ganz genau, dass ich bei unserem ersten Zusammensein Forelle Müllerin zubereitet hatte. Eine Aumage[5] an meine liebe Mutter die, wenn sie die Wahl hatte, Fleisch für Fisch stehen ließ. Die gebratene Forelle verbreitete einen Duft in der kleinen Kneipe, der den verbliebenen Gästen in die Nase stieg. Als meine Mutter auch noch das Salatdressing lobte, fragte doch einer der Gäste, ob nicht noch eine Forelle übrig sei. „Da würde ich auch nicht Nein sagen!“ machte sich ein zweiter lippenleckend bemerkbar. Da hatte ich den Salat. Tags zuvor hatte ich von einem Gast, einem Hobby Angler, zehn ganz frische Harzer Bach­forellen abgekauft. Während meine Mutter nochmals Kartoffeln schälte, ließ ich vier weitere Forellen in der Pfanne brutzeln und rührte frische Salatsauce an.

Von da an war ich nicht nur mehr Bierzapfer, sondern auch noch Koch. Irgendwie hatte es sich schnell herumgesprochen. In der Nähe befand sich ein größeres Autohaus mit vielen Angestellten sowie ein Straßenbahndepot. Schon bald reichten die drei Kneipentische bei weitem nicht mehr aus, um die Kundschaft aufzunehmen. Also wurde der in einem Nebenraum stehende Kröckeltisch[6] in die Ecke gestellt, dafür kamen vier weitere Tische. Dem Besitzer war es nur Recht, verdiente er doch an den Getränken auch seinen Teil. Brauchte zuerst immer nur einer kurz vor 11 im Laden zu sein, so musste ich schon bald spätestens um 9 Uhr in der Küche stehen, um den täglich wech­selnden Mittagstisch vorzubereiten. Bis 1 Uhr Nachts, so stand es im Vertrag, musste die Kneipe geöffnet sein. Nachmittags und abends fand ich dann „Entspannung“, indem ich mit den Gästen eine Runde nach der anderen ausknobelte. Was der „Wirt“ trinkt, trinkt auch der mitkno­belnde Gast. Ich bevorzugte „Pünktchen!“ Pünktchen bestand aus 20 Gramm Weinbrand und etwa gleich­viel Cola. Im Durchschnitt kam ich so im Laufe des Tages auf eine 0,7 Liter Weinbrand. Dann setzte ich mich immer noch führerscheinlos ins Auto und fuhr für ein paar Stunden Schlaf nach Hause. Bloß gut das sich daran bald etwas änderte. Meine Magenschleimhaut begann schon zu rebellieren.

Und dann gleich so ein großes Objekt!?

Eines Abends bat mich ein mir noch völlig unbekannter, sehr gut gekleideter Gast um ein paar ungestörte Minuten. Ich vermutete in ihm einen Vertreter und wollte ihn schon damit abwimmeln, indem ich ihm sagte, dass ich hier nur Angestellter und überhaupt nicht befugt sei, irgendwelche Verträge abzuschließen. Es war schon richtig, dass er ein Vertreter wäre, aber in einer ganz ande­ren Angelegenheit käme, einer die mir von Nutzen sein könnte. Also fand ich eine ruhige Ecke, um mir anzuhören, was er mir denn nützliches zu sagen hätte. Es stellte sich heraus, dass sich meine gute Küche schon bis zur verpachtenden Brauerei herumgesprochen hatte. Dort fand man es ziem­lich ungewöhnlich, dass solch eine kleine Kneipe solch einen Aufschwung genommen hatte. Nun läge es der Brauerei aber am Herzen, einem guten Kunden einen geeigneten Pächter zu vermitteln. Ich erfuhr dabei auch, dass bereits zweimal jemand zum Probeessen da gewesen wäre und man mich deshalb für prädestiniert hielt, mir die Pacht anzubieten. Es handele sich dabei um ein Restau­rant mit 84 Sitzplätzen im Inneren und einer großen Terrasse. Nein, nicht hier in der Stadt, vielmehr wäre es ein Flugplatzcasino mit angeschlossenem Hotel, welches 16 Betten umfasse. Etwa 50 Kilometer von Hannover entfernt. Ob ich wohl bereit wäre mir das Objekt anzusehen, fragte mich der Vertreter. Ohne Rücksprache mit meiner Lebensabschnittsgefährtin wollte ich darüber nicht entscheiden. Der Mann blieb doch tatsächlich noch fast zwei Stunden sitzen, gab sich den Gästen gegenüber als Brauereivertreter zu erkennen und schmiss auch noch ein paar Runden und wartete geduldig bis auch E. Zeit für ein Gespräch fand. Während der Gäste­kreis immer dünner wurde, konnte ich ihr zwischendurch schon mal das Wichtigste erzählen. So wurden wir uns dann ziemlich schnell einig und für den nächsten Kneipenruhetag ein Treffen ausgemacht. Am Zielort angekommen, erfuhren wir, dass dies der derzeit größte Privatflugplatz Europas wäre. Was aber den Ausschlag gab in diesen Pachtvertrag einzusteigen, war die Sympathie, die der Besitzer ausstrahlte. Das lag vor allem daran, dass er Ostpreuße wie ich war oder umgekehrt. Als mein Landsmann uns dann in das eigentliche Pachtobjekt einführte, konnte ich nicht anders als begeistert sein. Ich war beeindruckt von dem riesigen Tower, zu dem ich vom Restaurant direkten Zugang hatte, als auch von den riesigen Hangars und der gegenüberliegenden eigenen Repara­turwerkstatt. Ein ganz in der Nähe befindlicher Flachbau beherbergte eine Flugschule. Eine doppelte, 800 Meter lange Start- und Landebahn mit Runway, wo später sogar viermotorige Maschinen landeten und starteten, machte mich fast sprachlos, aber auch ein wenig ängstlich vor der Aufgabe, die mich hier erwartete. Vor allem die 240 Personen fassende Außenterrasse, die es ja auch zu bewirten gab. Nicht dass es mir an Fachwissen oder gar an Selbstbewusstsein mangelte, aber das Ganze erschien mir doch etwas zu überdimensional. Ich dachte auch sofort an die Perso­nalfrage. Schließlich lag dieser Flugplatz mitten zwischen nichts als Feldern und Wäldern. Die nächste Ortschaft war links vom Flugfeld mindestens 2 Km und nach rechts mehr als 3 Km ent­fernt. Der nächste Bahnhof fast acht Kilometer. E. allerdings war vollauf begeistert und wollte sofort unterschreiben. Ich musste sie ganz schön bremsen. Man beruhigte uns aber dahingehend, dass bis vor vier Monaten der vorige Pächter aus Gesundheitsgründen aufgeben musste, dieser immer drei feste Aushilfen gehabt hätte, deren Adressen man uns gerne geben würde. Der Besitzer bat uns inständig, doch den Vertrag einzugehen. Der eigentliche Flugbetrieb würde kolossal darun­ter leiden, dass es seit vier Monaten weder ein Hotelbett gäbe, noch ein Butterbrot zu haben sei. Des­halb würden fast alle Stammgäste, die zum Teil aus Italien, der Schweiz und dem Süddeutschen Raum kämen und weiter nach Skandinavien wollten einen Umweg fliegen müssen. Ich bat mir eine Woche Bedenkzeit aus, um das Für und Wider abzuwägen. Und wenn überhaupt würde ich erstmal nur einen Einjahresvertrag unterschreiben. Schließlich war ich noch nie selbstän­dig gewesen. Und dann gleich so ein großes Objekt!? Hinzu kam noch: die Heizperiode war im vollen Gange, dass wir gar nicht das nötige Startkapital hatten, um die Ölkessel aufzufüllen und dann noch der nötige Warenbestand! Aber schon zwei Tage später, ohne die Woche Bedenkzeit abwarten können, rief mich mein Landsmann an. Ich legte ihm nun ganz offen dar, wie es um unsere finanzielle Situation bestellt sei und wir uns schon von daher dagegen entscheiden müssten.

„Aber Herr Schulz! darüber können wir doch reden. Ich bin bereit, Ihnen alles für die Erstaus­stat­tung zur Verfügung zu stellen!“. Dieses Angebot, sich vom Kriegskind, welches sich von Katzen und Kartoffelschalen sowie vom Brot­betteln ernähren musste, über die Heimkarriere und dem Studium der Knast- und Gitterkunde, sollte ich nun Chef werden, war einfach zu verlockend. „Dieter, du wärst ganz schön blöd, würdest du diese Chance nicht beim Schopfe packen!“ dachte ich bei mir. Was besagte da schon der Passus im Pachtvertrag, dass das Flugplatzcasino täglich! geöffnet sein müsse, wie ein Bahnhof. Freie Tage gab es nur dann, wenn das Wetter keinen Flugbetrieb zuließe. Aber war ich es nicht gewohnt ständig im Stress zu leben? Hatte ich nicht schon immer, soweit ich zurückdenken kann fremdbestimmt gelebt? Wann hatte ich als Steward zur See schon mal einen freien Tag gehabt, außer wenn wir mal kurze Zeit im Hafen lagen? Hätte ich nicht genügend Abwechslung bei der Betreuung der Gäste? Liebte ich nicht gerade diesen Umstand ständig mit neuen Gesichtern und Charakteren zu leben? Wir sagten zu!

War ich es nicht gewohnt ständig im Stress zu leben?

Bloß gut, dass ich dahingehend Vorsorge betrieben hatte, dass ich vorerst nur einen Einjahres­ver­trag unterschrieb, welcher sich automatisch auf fünf Jahre verlängern sollte, sollte keine rechtzeitige Kündigung erfolgen. Unter den ansässigen Fliegern befand sich auch ein Zeitungsmensch. Dieser entwarf für uns eine ganz tolle Zeitungsannonce. Die Brauerei, deren Biersorte ich in der Annonce erwähnte, die ich auszuschenken gedachte, schickte mir einen Scheck, der meine Unkosten um eini­ges überschritt. Ich hatte nur wenige Tage Zeit anlässlich eines Jubiläums ein Kaltes Büffet zu zau­bern. Wir mussten dann auch noch in dem eigentlich für 84 Gäste konzipiertem Gastraum 102 Plätze bewerkstelligen. Die Kasse begann zu klingeln. Und dann schon wieder am 6. Dezember. Es war zur Tradition geworden, dass ein auf einem Doppel­decker stehender Nikolaus Süßigkeiten und kleine Plüschtiere auf das Publikum herunterwarf. Das war aber noch längst nicht alles. Zur Tradi­tion gehörte auch, dass die Gäste anschließend im Restaurant mit Heringsfilet nach Hausfrauenart bewirtet wurden. Auf jedem Tisch wurden große Schüsseln mit Sahnehering, Pellkartoffeln, Brot und Butter gestellt. Nur gut, dass ich meine Mutter, ja, auch meinen Stiefvater zur Hilfe hatte. Das Restau­rant reichte bei weitem nicht aus, den Gäste­andrang aufzunehmen. Dick eingemummelt saßen etwa 100 Gäste auch noch auf der Som­mer­terrasse und warteten auch dort auf Bedienung. Als hätte es meine Mutter geahnt. Sie hatte mich dazu überredet, nicht in der Metro[7] die viel teureren Fischfilets zu kaufen, sondern den Hering fässerweise direkt aus Bremen kommen zu lassen. Viele Stunden stand sie dann in der Küche, nahm die Fische aus, filetierte sie, warf diese Filets in zwei große Wannen. Sie schnitt Unmengen von Zwiebeln, Gurken und Äpfeln klein, die ebenfalls in den Wannen landeten. Bei der Metro hatte ich nur die Gewürze als auch palettenweise 2 ½ Liter Dosen Sahne und Mayonnaise eingekauft. Für eine feste Summe konnte jeder Gast soviel davon essen wie er nur konnte. Meinen Reibach machte ich dennoch. Schon alleine die Getränke, die dabei verzehrt wurden sorgten für guten Umsatz. Noch tagelang danach riefen Gäste an und fragten, ob denn noch etwas von dem leckeren Hering da wäre.

Das Personal der am Flugplatz hängenden Betriebe, sowie eine in der Nachbarschaft ansässige Firma waren fortan meine Stammgäste. Und natürlich die Piloten, die wieder begannen diesen Platz anzufliegen. Eine Sechsergemeinschaft von Piloten nebst Frauen kam regelmäßig aus Berlin, um hier in Westdeutschland ihrem Hobby Fliegen nachzukommen. An Gästemangel litten wir bestimmt nicht. Ärger bekam ich nur mit der Frau meines Boss. Der kam nämlich öfter zu mir zum Essen als es seiner Frau lieb war. Wartete sie doch des Öfteren am gedeckten Mittagstisch zu Hause auf ihren Mann, während dieser sich den Magen bei mir vollschlug. Zwischen Ihrem Mann und mir hatte sich ein inniges Verhältnis entwickelt. Des Öfteren kam er auch am Abend querfeld­ein in Gummistiefeln zu mir herüber, um sich mal auszuquatschen. Sprach dabei gerne einer Flasche Morio Muskat zuviel zu. Böse Blicke auf mich werfend durfte sie ihren Mann dann des Öfteren abholen. Bei diesen Gesprächen erfuhr ich dann auch so ganz nebenbei, wie er als Ostpreuße, der doch wie jeder andere auch nur mit 40 Mark angefangen hatte, zu seinem Reichtum gekommen war. Eigentlich hatte er ja noch in Ostpreußen Förster gelernt. Konnte sich aber nicht daran gewöhnen, einem toten Reh in die traurigen Augen zu blicken. Er begann zu tüfteln. Der Türöffnungsmechanis­mus eines jeden VW, der noch heute an jedem dieser Autos existiert, ist auf seinem Mist gewach­sen. So wurde mein Boss zum Millionär, bekommt noch heute für jeden Türgriff mindestens einen Cent. Auch wie er zur Fliegerei gekommen war erzählte er mir. Ein chronisches Asthmaleiden hatte seinen Arzt bewogen, ihm Höhenluft zu verordnen. Ursprünglich von Höhenangst befallen ging er dennoch auf Anraten seines Arztes in die Berge. Dort verlor er dann auch seine Höhenangst. Um sich aber immer die weite Reise und Zeit zu sparen in die Berge zu fahren, legte er sich ganz in der Nähe seiner Erfindungswerkstatt eben diesen Flugplatz an.

Der Tag als die Bombe platzte

An dem Verhältnis zwischen meinem Verpächter und mir oder gar an der langen Arbeitszeit lag es bestimmt nicht, dass ich den Pachtvertrag dann doch nicht um weitere fünf Jahre verlängerte. Ganz und gar nicht! Vielmehr war es wieder einmal eine Frau, genauer gesagt die besagte Lebensab­schnittsgefährtin, die meine Zukunftspläne zunichte machte. Einmal in der Woche musste ich nach Hannover fahren, um beim Großhandel einzukaufen. Zu der Zeit gab es noch keine EC Karten oder dergleichen. Schecks wurden nicht angenommen. Beim Einkauf zählte nur Bares. Vorausschicken muss ich noch, dass ich als Vorbestrafter natürlich keine Gaststättenkonzession bekam. Deshalb hatte ja auch E. den Pachtvertrag unterschreiben müssen. Bei der Bank und unserer Konto­führung waren wir allerdings gleichberechtigt. Also, immer wenn ich zum Einkaufen fuhr, hielt ich bei der Bank an, holte Kontoauszüge ab, zahlte manchmal Geld ein oder hob das nötige ab. Bei solch einer Gelegenheit kam der große Knall!

Zunächst glaubte ich ja wieder an einen Fehler meiner Bank. War es doch schon mal passiert, dass unser Konto plötzlich um eine ziemlich erkleckliche Summe angewachsen war. Ich muss wohl damals so ein verblüfftes Gesicht gemacht haben, so dass der Schalterbeamte[8] es mir ansehen musste, dass da etwas nicht stimmen konnte. Beflissen war er zu mir gekommen und hatte gefragt, ob etwas nicht stimme. Ich ehrliche Haut reichte ihm die Kontoauszüge hinüber und fragte wie unser Konto zu solch einer Einzahlungssumme komme. Nach kurzer Prüfung stellte sich heraus, dass da ein Zahlendreher uns kurzfristig zu richtig reichen Leute gemacht hatte. Natürlich wurde der Fehler umgehend berichtigt. An solch einen Fehler dachte ich an dem Tag als die Bombe platzte. Nur diesmal war unser Konto nicht begünstigt. Vielmehr war es fast leer. In etwa hatte ich ja den Überblick. Nicht auf die Mark genau, aber auf fast Null, das konnte nicht sein. Wieder war es der gleiche Schalterangestellte, der mir zu Hilfe kam. Doch wirklich helfen konnte er mir diesmal nicht. Was ich von ihm erfuhr, bescherte mir Puddingknie. Wie ich erfahren musste, war meine liebe E. ein paar Tage vorher da gewesen und hatte etwas über 70000 Mark abgehoben. Ohne mir überhaupt ein Wort davon zu sagen.

Was ich dann zu hören bekam, machte mich erst recht fassungslos.

Zu keinem klaren Gedanken mehr fähig setzte ich mich ins Auto und fuhr zurück. E. ahnte wohl schon, was auf sie zukam, als ich so schnell, zu schnell, wieder auftauchte. Außerdem verhießen meine Blicke nichts Gutes. Sofort setzte sie ihr Trotzgesicht auf, verschränkte ihre Arme vor der Brust und begann sofort mit ihrer Verteidigung. „Bevor du anfängst auszurasten hör mir erstmal zu!“ Was ich dann zu hören bekam, machte mich erst recht fassungslos. Als Erstes versuchte sie mich dahingehend zu beschwichtigen, dass ich dann ja bei der nächsten Jahresabrechnung ihre anteilige Hälfte einbehalten könne. Über den Verbleib der relativ großen Summe, zumindest in meinen Augen zu damaliger Zeit, legte sie dann auf Nachfrage auch Rechenschaft ab. Sie hatte ihrer jüngsten Schwester den Auszug bei den Eltern ermöglicht. Dazu gehörte natürlich auch eine komplette neue Wohnungseinrichtung, nebst Mietsicherheit und Maklergebühren. Mir schien, E. hätte ihrer Schwester einen Palast eingerichtet. Zumal die Kaufkraft der D-Mark Anfang der sieb­ziger Jahre mit dem heutigen Geld nicht zu vergleichen ist. Dieses hielt ich ihr auch vor. Schon etwas kleinlauter gab sie dann auch zu, sich selbst auch etwas Besonderes gegönnt zu haben. Das Besondere bestand aus einem 3/4 langen Ozelotmantel! Für soviel Luxus hatte ich nun gar kein Verständnis. Mir hatte sie Vorhaltungen gemacht, wenn ich meiner Mutter mal etwas Geld zusteckte, wenn sie jedes Mal hilfsbereit zur Stelle war, wenn abzusehen war, dass wir beide den Gästeandrang nicht alleine würden bewältigen können. Zumal der Sommer sehr schön gewesen war und ganze Familien in Scharen zum Flugzeuggucken gekommen waren. Wir bekamen immer wieder zu hören, dass Kinder ihre Eltern solange genervt hatten, bis ein geplanter Zoo Besuch zum Flugzeuggucken umdisponiert wurde. Wer es sich leisten konnte, durfte auch einen Rundflug genießen. Alles in Allem war es ein sehr erfolgreiches, aber auch arbeitsintensives Jahr gewesen. Dass ich jetzt auch noch leer ausgehen würde, das mochte ich nicht hinnehmen. Wer sagte mir denn, dass E. sich nicht wieder von unserem Konto bediente. Ihr Vorschlag besagte nämlich, dass sie erst in zwei Jahren wieder ihren Geschäftsanteil beanspruchen konnte. Im Gegensatz zu mir hatte sie jede Woche auf einen freien Tag bestanden, wo sie sich großkotzig mit einem Taxi in das 50 Kilometer entfernte Hannover fahren ließ, um dort mit ihren Freundinnen auf ihre Kosten die Sau rauszulassen. In ihrer Eitelkeit sonnte sie sich im Neid der meist ehemaligen Kolleginnen und ließ sich als Chefin feiern. Das alles nahm ich ja noch gelassen hin, da ich im Grunde genommen in meine Arbeit, meinen Erfolg verliebt war. Da ich aber mit dieser Frau keine weitere Perspektive erkennen konnte, musste ich dem Besitzer die traurige Mitteilung machen, dass ich den fälligen Fünfjahresvertrag leider nicht unterschreiben könne.

Mein Boss empfand dies als persönlichen Tiefschlag, wo doch allem Anschein nach alles bestens lief. Ich mochte E. nicht in die Pfanne hauen, schob den Gesundheitszustand meiner Mutter vor. Ein paar Wochen noch musste ich mit E. den Laden offen halten, dann trennten sich unsere Wege. A fonds perdu![9]

 

Fußnoten

[1] Eine nette Räuberpistole aus den 50er Jahren https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Wirtshaus_im_Spessart_(1958)

[2] Eine Art Fortsetzng https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Spukschlo%C3%9F_im_Spessart

[3] Von der Sache her eine Wiederholung. Darum in der Fußnote: 451 EUR Rente? Lieber Leser, obwohl ich auch immer, während meiner insgesamt 17 Jahre Haftzeit gearbeitet habe, hat der Staat niemals für mich Rentenbeiträge eingezahlt. Von wegen Knacki lebt auf Steuerzahlerkosten. 30 Jahre habe ich dennoch geklebt. Nur leider haben mich die 11 Jahre Versorgungsausgleich für meine Ehefrauen soweit runter gedrückt. Sowohl meine Erste als auch Zweite Ehefrau hatten es nicht nötig zu arbeiten. Ich verdiente ja gutes Geld, wenn man mich denn arbeiten ließ, während die angetrauten für eine saubere Wohnung und ordentlich erzogene Kinder zuständig sein sollten.

[4] Mehr dazu im nächsten Kapitel

[5] Gemeint ist Hommage im Sinne von Ehrung https://neueswort.de/hommage/

[6] Krökeltisch = Tischfußballtisch. Tischfußball ist in bestimmten Regionen unter anderen Namen bekannt. In Hannover und Umgebung kennt man den Sport unter dem Namen Krökeln, ein Tischfußballtisch wird dem­ent­sprechend als ‚Krökler‘ bezeichnet. Der Begriff kommt von der Bezeichnung Krökel für eine Eisenstange im Hannoverschen. https://de.wikipedia.org/wiki/Tischfu%C3%9Fball

[7] Gemeint ist ein Handelsunternehmen der Metrogruppe https://de.wikipedia.org/wiki/Metro_Group

[8] Eine damals gängige Bezeichnung auch für Bankangestellte https://de.wikipedia.org/wiki/Bankbeamter

[9] Kapital ohne Aussicht auf Wiedererlangen http://www.wissen.de/fremdwort/fonds-perdu

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