Dierk Schaefers Blog

Als hätte er’s gekannt: das „Pietisten-Reskript“

Posted in Christentum, Geschichte, Humor, Kirche, Literatur, Moral, Protestantismus, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 6. März 2018

Doch das lokal bedeutsame Schriftstück hat Wilhelm Busch[1] wohl nicht gekannt, denn seine Wege führten nicht ins Schwabenland. Vermutlich aber hätte er, der antiklerikale Künstler, die „Frommen im Ländle“ mit seiner Feder aufgespießt, wie er es besonders mit den Katholiken tat. Mit Petrine und Pauline hat er aber beide Konfessionen durchaus mit seiner Karikatur charakterisiert.Petrine und Pauline.jpg[2]

Doch zum „Pietisten-Reskript“: Es stammt von 1734 und prägt die evangelisch-württembergische Kirche bis heute. „Das Reskript hat dem sich immer weiter ausbreitenden Pietismus ein verantwortliches Eigenleben innerhalb der Kirche ermöglicht und dadurch einer separatistischen Absonderung gewehrt. Der Pietismus bekam offiziell Heimatrecht in der Landeskirche. Er konnte sich fortan mit seinen besonderen Anliegen entfalten und wurde zu einem Element württembergischen Kirchenwesens“. Das Reskript wurde am 22. Dezember 1993 feierlich erneuert. Dieses Element württembergischen Kirchenwesens entfaltet seine besonderen Anliegen in vielfacher Weise. Es dominiert die Landessynode[3]. Bei aller Wertschätzung, die auch ich den Pietisten entgegenbringe, ist diese Dominanz doch zuweilen penetrant, und ich fühlte mich kürzlich mal wieder an eine Zeichengeschichte von Wilhelm Busch erinnert: „Der unverschämte Igel“.Das Pietisten-Reskript und der Igel [4]

Wer jetzt eine Parallelen zur derzeitigen Willkommenskultur sehen will, mag das tun. Doch hier handelt es sich um schwäbische „Allda-Hiesige“, die in besonderer Weise von ihrem Heimatrecht Gebrauch machen und bibeltreu, wie sie nun einmal sind, ihre Synodalmehrheit nutzen. So verhinderten sie am 29. November letzten Jahres die öffentliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare[5], von kirchlicherTrauung war nicht einmal die Rede. Es handelt sich um ein Regionalmonopol für den göttlichen Segen. Schließlich steht die Synode mit ihrer Blockade fast allein da: lediglich die evangelischen Kirchen Bayern und Schaumburg-Lippe haben ähnliche Beschlüsse zur Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Paare aus den Gemeinden erlassen[6], alle anderen Kirchen der EKD sind tolerant.

Die Bildergeschichte wird hier nur verkürzt wiedergegeben. Bei Wilhelm Busch endet sie in seiner derb-drastischen Manier. Das will ich den Pietisten nicht wünschen, es wäre auch ein eher illusorischer Ausgang.

Fußnoten

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Busch

[2] Aus: Wilhelm Busch, Pater Filuzius. Tante Petrine ist üppig, behäbig und katholisch, Tante Pauline ist mager, spitz und evangelisch. Die Zeichnung diente meinem katholischen Kollegen und mir zur Selbstvorstellung in gemeinsam geleiteten Seminarrunden. Der Witz dabei war eine unsere körperliche Ähnlichkeit mit den Figuren (damals!).

https://de.wikipedia.org/wiki/Pater_Filuzius Mittwoch, 22. Juni 2016

[3] Das ist die gesetzgebende Versammlung der Landeskirche https://www.elk-wue.de/wir/landessynode/

[4] http://www.zeno.org/Literatur/M/Busch,+Wilhelm/Bildergeschichten/Hernach/Der+unversch%C3%A4mte+Igel

[5] https://www.elk-wue.de/pressemitteilung/29112017-landessynode-keine-23-mehrheit-fuer-oeffentliche-segnung-gleichgeschlechtlicher-paare/

[6] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.evangelische-kirche-in-wuerttemberg-glockengelaeut-auch-fuer-homosexuelle-paare-gefordert.68dffb97-45d4-4026-a602-98382bc97eca.html

EKD, Für uns gestorben – Schon gelesen? Ganz?

Posted in Geschichte, Kirche, Theologie by dierkschaefer on 12. April 2015

Eigentlich ist die „Orientierungshilfe“ Für uns gestorben nicht an Theologen adressiert. Doch wer wird sie lesen, wenn nicht sie und ein paar theologisch Interessierte? Mehr wohl kaum, wenn überhaupt.[1] Ich habe mich bei der Lektüre immer wieder gefragt, in welcher Welt leben die Verfasser? Doch zunächst mal mein Dank für das Repetitorium, das wohl auch studierte Theologen gut gebrauchen können und das auch manches ausfüllt, was der Mut zur Lücke im Studium frei gelassen hatte.

Worum geht es?

Es geht um den Kreuzestod Jesu und das Bekenntnis Im Kreuz ist Heil.

An dieser Stelle werden schon viele meiner Leser aussteigen wollen. Bleiben Sie noch dran. Skurrilität hat auch ihren Unterhaltungswert, wenn ich auch niemandem empfehlen will, selber den Text zu lesen.[2] [3]

Die Fragestellung der Verfasser

Die Verfasser gehen ganz bewußt von den frühchristlichen Glaubenserfahrungen aus. Für die frühen Christen war es Wirklichkeit, dass Jesus, der Sohn Gottes ist und von den Toten auferstanden; damit habe er die Menschen mit Gott versöhnt.

Man hätte auch anders vorgehen können, räumen die Verfasser ein, nämlich allein auf Basis der historisch plausibilisier­baren Fakten. Doch so haben sie Position gezogen, Bekenntnis gegen Wissenschaft. Wäre ich nicht Theologe, hätte ich schon nach dem Vorwort aufgehört, denn ich schalte meinen Verstand, ohne ihn rühmen zu wollen, nicht gern ab.

Ein Repetitorium, sagte ich. Davon darf man nichts Neues erwarten. Und so ist für den Fachmann wie für den einfachen Gläubigen schon alles gesagt.[4] Trotzdem: »Eine solche Schrift war notwendig, weil viele Menschen Schwierigkeiten mit der Kreuzestheologie haben. Mithilfe dieses Textes können hoffentlich einige von ihnen verstehen, was mit dem Kreuz eigentlich gemeint ist.«, so die Begründung.

Von der Grundentscheidung zur Methode

Und so begeben wir uns auf den Parcour der Textauslegung, der Dogmen- und Kirchenge­schichte um schließlich im resümierenden Schlusskapitel unsere Fragen beantwortet zu bekommen, wenn es denn so sein sollte, dass wir diese Fragen haben.

Doch selbst, wenn ich die Position der Verfasser teilen wollte, fällt mir auf, dass sie die Bibelstellenen gerade so nehmen und zitieren, wie sie ihnen passen. Auf die Unterschiede zwischen den Evangelien wird nicht kritisch eingegangen und manches kommt nicht vor.

So beispielsweise die Gethsemane-Geschichte[5]. Sie wird von Markus, Matthäus und Lukas berichtet und ist eine der Geschichten, die auch ohne Theologiestudium als total erfunden erkannt werden kann, denn die einzigen Zeugen schlafen fest – wie es heißt. Doch in dieser Geschichte wird eine sozusagen innertrinitarische Differenz aufgezeigt: Lass den Kelch an mir vorübergehen, sagt Jesus zum seinem Vatergott, um dann aber nachzugeben: Doch nicht mein Wille geschehe, sondern Deiner. Aber diese gedachte Differenz innerhalb der Trinität wird nicht thematisiert, dafür bekommen wir fix und fertig das Dogma von „wahrer Mensch und wahrer Gott“ serviert, auch wenn die kirchenspaltende Festlegung zur Person des Gott-Menschen Jesus Christus erst später und unter Druck des Kaisers zementiert wurde. Auf dieser Basis wird weitergebaut. Auch die Unterschiede im Abendmahlsverständnis zwischen Reformierten und Lutheranern spalten nicht mehr (was ja nur gut ist), dafür werden die Einmaligkeit und Endgültigkeit des Opfertodes so betont, dass die Katholiken mit ihrem sonntäglich zelebrierten Messopfer meinen müsssen, theologisch total falsch zu liegen.

Auf einige Details möchte ich noch eingehen.

Der Münchhausentrick

Manches ist amüsant. So der Müchhausentrick von Immanuel Kant. Er meinte, die existentielle Schuld des Menschen könne jeder nur selbst abtragen, nicht aber Jesus für uns. Unter der Schuld, die Kant dem „alten“ Menschen zuordnet, leidet der „neue Mensch“, der physisch derselbe ist. Er trägt damit die Schuld des alten ab. So zieht sich Münchhausen am eigenen Zopf aus dem Sündenpfuhl.

Kotau[6] der EKD vor der feministischen Theologie

»Besonders die feministische Theologie hat solche Verzerrungen und Missdeutungen des theologischen Opferbegriffs aufgedeckt. Im Hintergrund ihrer Kritik standen viele biogra­fi­sche Erfahrungen und ganze Lebensgeschichten: Wenn Männern von Frauen forderten, dem Opfer Christi mit dem Opfer des eigenen Lebens zu entsprechen und es für andere hinzuge­ben, wurde nur theologisch der Anspruch verbrämt, dass Frauen eigene Interessen und Lebens­pläne zurückzustellen hatten. Nicht zufälligerweise waren vor allem Frauen von solchen gesellschaftlich dominanten Erwartungen betroffen.«

Schon vor der feministischen Theologie wussten wir, dass der Gott des Alten Testamentes vielfach die Züge eines orientalischen Despoten trägt. Wie hätten die Menschen damals auch sonst sich Gott vorstellen können? Doch die Opfererwartungen, von denen die Frauen mit Bezug auf Jesu Opfer betroffen sein sollen, sind mir nicht geläufig, dafür aber der Missbrauch des Vorbildes Christi für den Soldatentod: Wer das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.[7]

Der Opfergedanke – hoch aktuell? Ein falsches Beispiel

Die Aktualität des Opfergedankens wird an mehreren Beispielen gezeigt. So auch beim neue­ren Liedgut. Als einer der Gewährsleute wird Otmar Schulz[8] präsentiert mit seinem Lied »In einer fernen Zeit gehst du nach Golgatha, erduldest Einsamkeit, sagst selbst zum Sterben ja.«. Schlechtes Beispiel: Schulz hat seiner Vergangenheit, auch seinen Liedern den Abschied gegeben. Öffentlich, im Pfarrerblatt.[9] Das haben die Verfasser der Orientierungshilfe nur nicht zur Kenntnis genommen. Schulz schreibt dort, das Anstimmen solcher Lieder sei für ihn »besten­falls ein Besuch im tönenden Museum. Und das trifft auf mindestens 80 Prozent der Gesangbuchlieder zu (meine eigenen zum großen Teil eingeschlossen!). Da hilft mir auch der Hinweis wenig, diese Lieder hätten … schließlich Generationen von „Gläubigen“ getröstet, ermutigt, ermahnt. Mag alles sein. Ich will „Gottes Spuren“ heute reflektiert sehen, nicht die „Spuren in längst vergangnen Tagen“, wie es in einem Lied heißt.« Es geht ihm um die theo­lo­gische Redlichkeit. »Es ist für mich vorbei mit der Blut- und Sühneopfertheologie meiner Kindheit und Jugend und auch langer erwachsener Jahre. Es ist vorbei mit dem „Christi Leib für dich gegeben“. Die „Lehre“ hat der Erfahrung und dem neu erworbenem Wissen nicht standgehalten.«

Ein Pfarrer, der sich so äußert, fällt in die erbarmungslosen Hände seiner Kollegen. Eine symbolische öffentliche Hinrichtung war die Replik in der nächsten Folge des Pfarrerblatts. Von der „Desaströsen Bilanz eines Pfarrerlebens“ schrieb Michael Heymel.[10] Ich schickte Schulz meinen Leserbrief: »Bastelreligion wirft Heymel dem Kollegen Schulz vor, so, als habe der sich für seinen privaten Herrgottswinkel einen Götzen geschnitzt. Gebastelt wurde allerdings schon immer. Es begann mit den Jüngern, die sich einen Reim darauf machen mussten, wieso der von ihnen verehrte Meister einen solch schmählichen Tod sterben konnte und wieso er dennoch bei ihnen weiterlebte. Auch Paulus hat gebastelt und dem beginnenden Christentum den paulinischen Schliff gegeben. Und erst die Evangelisten: Von der Adoptionsformel zur Gottessohnschaft mit weihnachtlicher Vorgeschichte. Es waren ja nicht nur vier Evangelisten, ganze Bastelkollektive stellten den Kanon[11] zusammen und schlossen aus, was ihnen nicht zu passen schien. An den Symbola[12] haben auch die Kaiser mitgebastelt. Muß ich noch auf andere Bastelergebnisse eingehen, auf das Fegefeuer zum Beispiel? Es haben doch Gläubige aller Zeiten mit ihren Erkenntnismöglichkeiten und ihren Erfordernissen an ihrem Glauben gebastelt. So what? – Ja, ich weiß: Die Basteleien mussten approbiert werden. Wer allein bastelte, musste den Mund halten oder er landete wie Jan Hus[13] [14]auf dem Scheiterhaufen. Da hätten manche Luther auch gern gesehen.«

Und nun haben wir eine Orientierungshilfe der EKD, die alle wichtigen Fragen beantwortet.

Noch Fragen?

[1] Eine Reichweitenanalyse würde mich interessieren.

[2] Wer es dennoch will, hier geht’s zum Text: http://www.ekd.de/download/fuer_uns_gestorben2015.pdf

[3] Wenn Sie’s kurz gefasst haben wollen, reicht das Abschlusskapitel mit den Fragen und Antworten. Sollten das Ihre Fragen sein, dann müssen Sie mindestens dieses Kapitel lesen, dann sind Sie orientiert. Hier nur die Fragen:

Für uns gestorben – Fragen und Anstöße

  • Ist Jesus von Nazareth wirklich gekreuzigt worden?
  • Wer ist für seinen Tod verantwortlich zu machen, die römischen oder die jüdischen Autoritäten?
  • Warum musste Jesus überhaupt sterben?
  • War Jesus klar, dass er in Jerusalem sterben würde?
  • Wird durch die Lehre vom Kreuz nicht ein allzu dunkles Menschenbild gezeichnet?
  • Wieso musste Jesus Christus deswegen sterben? Ging das nur so?
  • Kann man nicht auch an den christlichen Gott glauben, ohne dem Tod Jesu eine so hohe Bedeutung beizumessen?
  • Wollte Gott Blut sehen, um seinen Zorn zu besänftigen?
  • Hat Gott ein Menschenopfer gefordert?
  • Wieso ist aber im Neuen Testament und auch danach in Liedtexten und sogar in Predigten vom Opfer die Rede?
  • Lässt sich nur mit biblischer Sprache ausdrücken, was es heißt, dass Jesus Christus für uns gestorben ist?
  • Wenn uns die biblischen Motive so fremd sind, ist es dann nicht besser, auf sie zu verzichten?
  • Was klärt dann die Deutungsfigur des (Sühn-)Opfers überhaupt?
  • Was kann die Figur vom Passalamm erklären, als das Jesus bezeichnet wird?
  • Hat das traditionelle Motiv des Loskaufs heute noch einen nachvollziehbaren Sinn?
  • Kann Gott die Menschen erst wieder lieben, nachdem Jesus Christus für ihre Sünden gestorben ist?
  • Musste Jesus Christus sterben, weil Gott als ein »gerechter« Gott dies so fordert?
  • Musste Gott durch den Tod Jesu versöhnlich gestimmt werden?
  • Und was ist mit der menschlichen Freiheit?
  • Erkenne ich im Kreuz nur, dass ich versöhnt bin, oder bewirkt das Kreuz das auch?
  • Biblische Texte betrachten immer wieder den Glauben als Voraussetzung dafür, dass Menschen an dem, was Christus für sie getan hat, teilhaben. Was wird dann aus denen, die nicht an Gott, geschweige denn an Jesus Christus glauben?
  • Was ist aber mit den Menschen, die vor Jesu Geburt gelebt haben?
  • Wieso verknüpft sich mit dem Tod Jesu von Nazareth ausgerechnet der Gedanke der Neuschöpfung? Tod und Schöpfung scheinen doch das genaue Gegenteil zu sein.
  • Was ist gemeint, wenn gesagt wird, am Kreuz ereigne sich »ein fröhlicher Wechsel und Streit«?
  • Stellvertretung – was soll das im Blick auf den Tod Jesu Christi heißen? Muss nicht jeder seinen eigenen Tod sterben?
  • Ist damit die Stellvertretung nicht schon als Deutungsfigur erledigt?
  • Warum ist es dennoch wichtig, von Stellvertretung zu reden?
  • Zu welchem Missverständnis kommt es, wenn die Exklusivität der Stellvertretung zu stark betont wird?
  • Zu welchem Missverständnis kommt es, wenn die Inklusivität der Stellvertretung zu stark betont wird?
  • Was bedeutet eine Stellvertretung, die exklusiv und inklusiv sein soll?
  • Mit welchem Recht kann Jesus überhaupt für alle Menschen stellvertretend eintreten?
  • Jesu Tod gibt uns neues Leben, heißt es. Neues Leben, Neuschöpfung, was bedeutet das für uns?
  • In welchem Verhältnis steht der Tod von Menschen, die ihr Leben für andere riskieren, zum Tod Jesu Christi?
  • Wie ist dann der biblische Satz zu verstehen, dass der, der Jesus nachfolgen wolle, sein Kreuz auf sich nehmen solle (vgl. Mk 8,34)?
  • Zu welchen Missverständnissen kommt es, wenn Jesu Hingabe und sein Weg ans Kreuz zum ethischen Vorbild erklärt werden?
  • Wenn von Christus gesagt wird, er sterbe und sei von den Toten auferstanden, und Menschen dasselbe hoffen dürfen, ist dann nicht auch möglich, Jesus Christus als Exempel zu verstehen?
  • War und ist das Grab Jesu Christi leer?
  • Was stiftet denn die Identität zwischen dem gestorbenen Jesus und dem auferstandenen Christus?
  • Hat die Überwindung des Todes Gott verändert?
  • »Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber« (2Kor 5,19), sagt Paulus. Aber wie können Gott und Mensch wirklich zusammenkommen, ohne dass Gott als Person in sich gespalten ist?
  • Geht das nicht auch einfacher? Wieso muss Jesus Christus überhaupt wahrer Gott und zugleich wahrer Mensch sein?

[4] So der Interviewer im Gespräch mit dem Theologen Christoph Markschies, Mitautor des EKD-Grundlagentextes „Für uns gestorben“. http://www.ekd.de/aktuell/98061.html

[5] https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/7727190772/

[6] Der Begriff Kotau wird im deutschen Sprachraum als Umschreibung für Unterwerfung, Eingliederung in eine Rangordnung bzw. nicht ganz freiwilliges Nachgeben benutzt. https://de.wikipedia.org/wiki/Kotau

[7] https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/3355906263/in/set-72157632548603352

[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Otmar_Schulz

[9] http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/dpb_print.php?id=3640

[10] http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt//dpb_print.php?id=3659

[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Bibelkanon

[12] Nur das Chalcedonense sei hier als einschlägiges Beispiel genannt: http://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Chalcedon

[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Hus

[14] https://www.flickr.com/photos/dierkschaefer/4468626403/

Ein Florilegium und zwar ein besonderes …

Posted in Geschichte, Kirche, Kriminalität, Religion, Theologie, Weltanschauung by dierkschaefer on 15. Juli 2014

… sind die Nachrufe auf Karlheinz Deschner. So viel Würdigung wird nur Wenigen zuteil, und er hat sie verdient.

Auch in diesem Blog wurde Deschner mehrfach erwähnt und gewürdigt.

https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/04/10/kostenaufstellung-der-heilsgeschichte/

https://dierkschaefer.wordpress.com/2013/03/25/karlheinz-deschner-was-ihn-immer-am-meisten-geargert-habe/

Seine „Kriminalgeschichte des Christentums“ ist leider von der Kriminologie noch nicht aufgegriffen worden, soweit ich das überblicke.

Das hier verlinkte Florilegium gibt einen Überblick von der Bedeutung dieses unermüdlichen Advokaten der Humanität.

http://www.deschner.info/index.htm?/de/resonanz/stimmen.htm

Die EKD – Irgendwie fachlich nicht ganz auf der Höhe

Posted in Geschichte, Kirche, Religion, Theologie by dierkschaefer on 25. Mai 2014

Und das auf einem Terrain, das sie kennen sollte, doch sie scheint es beherrschen zu wollen. »Die EKD hat ein ideologisches Luther-Bild – Ein Papier der Kirche zum Reformationsjubiläum 2017 reduziert die Bedeutung des Ereignisses auf das Religiöse. Das ist wissenschaftlich überholt und wird der Tragweite der Reformation nicht gerecht«[1].

 

[1] http://www.welt.de/debatte/kommentare/article128354577/Die-EKD-hat-ein-ideologisches-Luther-Bild.html

Da werden sich die Hexen im Himmel aber freuen

Posted in Geschichte, Kirche, Menschenrechte, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 1. Mai 2014

»Im 16. Jahrhundert ist in Trier mehr als ein Fünftel der Bevölkerung wegen Hexerei hingerichtet worden. Nun rehabilitiert die Stadt die Opfer der Inquisition.«[1]

Nehmen wir‘s als Anerkennung für den Jesuitenpater Friedrich Spee. Der hat es verdient.

Ein Nachtrag: Es gibt noch mehr Personen aus der Zeit der Hexenprogrome, die mutig waren:

http://www.spiegel.de/panorama/opfer-der-hexenverfolgung-im-namen-des-praetorius-a-814460-druck.html

 

Dazu aus Wiki über Anton Praeterius:

Für damalige Verhältnisse ungewöhnlich deutlich und schroff kritisiert Praetorius in seinem Buch das Verhalten der Obrigkeit:

„Es muss ein Ende sein mit der Tyrannei, die bisher viele unterdrücket, denn Gott fordert Gerechtigkeit.“

Er fordert eine Amtsführung, die sich an Gottes Willen orientiert:

„Es sollten die obersten Herren gelehrt sein in Gott, fromm und ein Vorbild. … Christliche Obrigkeiten sollen das Werk der Zauberer auf christliche Weise hindern und strafen“ und Barmherzigkeit üben.

Direkt, schonungslos und scharf klagt er die damalige Justiz an:

„Ihr seid im Unrecht. Ihr steht in des Kaisers Strafe, denn Ihr seid für mutwillige und öffentliche Totschläger und Blutrichter zu halten!“

Mit drastischen Worten kritisiert er Rechtsbrüche und Grausamkeit der Juristen:

„Welche Richter zu der Ungerechtigkeit Lust haben und unschuldiges Blut vergießen, werden in Gottes Hand zur Rache verfallen und sich selbst in die unterste Hölle hinabstürzen!“

Für die Durchführung von Hexenprozessen fordert er Verteidiger und mehrere, nicht nur einen Zeugen. Alle Angeklagten müssen gleich behandelt werden. Auch hierbei kann er sich auf Rechtsvorschriften des Alten und Neuen Testaments beziehen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Praetorius

 

[1] http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/feierliche-gedenkstunde-trier-rehabilitiert-opfer-von-hexenverfolgung-12918202.html

Das Konklave und die Nonnen von Sant’Ambrogio

Posted in Geschichte, Kirche, Politik by dierkschaefer on 12. März 2013

Wer eine deftige Geschichte über sex and crime im kirchlichen Umfeld lesen will, sollte lieber den Pfaffenspiegel lesen, auch Bocaccio bietet lustvolle Stories oder die Anna Dunzinger im Zupfgeigenhansel.

So lustig geht es in diesem Kloster nicht zu, eher schwülstig. Auch einem Vergleich mit einem klassischen Schauerroman hält die „Wahre Geschichte“ des Autors Hubert Wolf nicht stand, denn er ist kein Romanzier, sondern Kirchenhistoriker. Geradezu minutiös führt er uns durch die Protokolle eines Inquisitionsverfahrens – alles gut belegt mit einem ganzen Apparat von Anmerkungen. Die muß man zwar nicht lesen, dennoch sollte man mehr fachliches Interesse mitbringen, als den Wunsch nach Unterhaltung, um sich durch das (ohne Anmerkungen) 444 Seiten umfassende Werk zu arbeiten. Ich fand’s spannend.

Warum?

Die Ereignisse im Kloster spielen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; und dennoch fühlt man sich in das Mittelalter versetzt soweit es um die Mentalitäten und Denkhorizonte geht. Der zeit- und kirchengeschichtliche Hintergrund war mir – und ist wohl auch vielen anderen Lesern weithin unbekannt dank eines schlechten Geschichtsunterrichts in der Schule und dank des Desinteresses, das evangelische Theologen normalerweise an neuerer katholischer Kirchengeschichte haben. Beides ist nicht gut, denn so verstehen wir die Hintergründe bis hin zur aktuellen Papstwahl nicht.

Es geht um den Streit der katholischen Kirche mit der modernen Welt. Hierbei ist nicht die „technische Moderne“ gemeint, sondern die „Aufklärung“, die den Menschen ermutigte, sich seines Verstandes zu bedienen und sich so aus seiner selbstverschuldeten Abhängigkeit zu befreien. Ein Ergebnis des aufgeklärten Denkens war die französische Revolution einschließlich der Schreckensherrschaft. Dieser Einbruch der „Moderne“ brachte die europäische Staatenwelt ins Wanken. Die wehrte sich mit der „Restauration“: Die Gedanken waren nicht mehr frei. Allerdings hatten die anciens régimes nicht auf die Gebietsgewinne verzichten wollen, die ihnen Napoleons Neuordnung Europas verschafft hatte. So gab es in Deutschland nun kaum noch konfessionshomogene Staaten, sondern viele katholische Untertanen hatten nun protestantische Herrschaften – und kaum noch Aufstiegschancen in staatlichen Einrichtungen. Eine völlig neue Situation für die katholische Kirche in Deutschland, und sie war in sich gespalten: einige Theologen suchten nach konstruktiven Antworten auf die neuen Herausforderungen, andere blickten ultra montes, über die Berge nach Rom. »Mit dem Begriff Ultramontanismus wird eine politische Haltung des Katholizismus … bezeichnet, die sich ausschließlich auf Weisungen von der päpstlichen Kurie … stützt. Diese Haltung ging einher mit dem Antimodernismus, einer Strömung innerhalb der gesamten katholischen Kirche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, die sich – ausgehend von Dekreten Papst Pius‘ IX. – gegen gesellschaftliche und politische Reformen zur Durchsetzung von Menschenrechten und Demokratie wandte. Ein Höhepunkt antimodernistischer Tendenzen in der katholischen Kirche war 1910 die Verpflichtung aller Priester auf das Ablegen des sogenannten Antimodernismus-Eids: ab dem 1. September 1910 waren sie ausdrücklich verpflichtet, die im Syllabus Errorum (Liste der Irrtümer) genannten „Irrtümer“ abzulehnen« (http://de.wikipedia.org/wiki/Transmontanismus). Der erwähnte Pius IX, der auch in der Sant’Ambrogio-Affäre die entscheidende Rolle spielt, hatte 1854 das Dogma von der „Unbefleckten Empfängnis“ verkündet, demgemäß die Jesusmutter Maria schon von ihrer eigenen Empfängnis an von der „Erbsünde“ unbefleckt gewesen sei (http://de.wikipedia.org/wiki/Mariendogmen). Damit hatte nicht nur die Sexualfeindlichkeit der kirchlichen Lehre ihren Höhepunkt platonischer Verzückung erreicht, sondern es mehrten sich auch Berichte über Marienerscheinungen. Die „Heilige Jungfrau“ erschien und sprach mit zumeist unbedeutenden Leuten, oft auch Kindern. Die Sant’Ambrogio-Affäre zeigt das Bedrohungspotential für die kirchliche Hierarchie, wenn Menschen niederen Standes und mit allenfalls niederen Weihen am Lehramt vorbei ungefiltert Botschaften heiliger Personen empfangen (http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchliches_Lehramt ). Die Rolle, die Joseph Kleutgen (s. unten) bei der Konzeptionalisierung des doppelten Lehramtes mit Zuspitzung auf das Papstamt spielte, ist geradezu pikant(s. unten).

Der Richtungsstreit zwischen „Liberalen“ und Antimodernisten war noch imgange, als die Sache mit dem Kloster Sant’Ambrogio passierte. Eine junge Nonne hatte die Macht im Kloster Sant’Ambrogio übernommen. Sie konnte sich auf gängige Glaubensmeinungen verlassen, Glaubensmeinungen, die auch heute nicht überholt sind, nämlich daß es jenseits dieser Welt eine andere nicht nur gibt, sondern daß die jenseitige auch in die diesseitige eingreifen kann – und es auch tut. Religionsfeinde mögen die Nase rümpfen und zum Angriff blasen. Doch daß der Glaube Berge versetzen kann, im Guten wie im Bösen, ist nicht so leicht von der Hand zu weisen. Immerhin erleben wir gerade, wie der Glaube an Allah, entsprechend gehandhabt, eine Weltmacht so unter Streß setzt, daß sie dabei ist, ihren eigenen Glauben an die Menschenrechte aufzuweichen.

Die junge Nonne von Sant’Ambrogio jedenfalls war eine Meisterin in der Handhabung des Glaubens ihrer Schwestern und Beichtväter. Mit Marienerscheinungen, Briefen aus dem Himmel und ihrem äußerst hübschen Aussehen spielte sie die Äbtissin in die Bedeutungslosigkeit, besetzte auf himmlischen Befehl Schlüsselämter im Kloster, blendete den einen und bezirzte den anderen Beichtvater mit ihrer Schönheit und Rosendüften himmlischen Ursprungs. An den erotischen Aspekten ist lediglich interessant, welcher Wust von Aberglauben nötig war, um die streng verbotene und rigide verpönte Sexualität praktizieren zu können. Doch was im Himmel mit immer neuen Briefen gut geheißen wurde, war in Ordnung, durfte aber nicht mitgeteilt werden. So weit, so skurril bis hin zum Zungenkuß als jesuitischen Segen. Die junge Nonne war ehrgeizig und erledigte andere Nonnen, die ihr gefährlich werden konnten, per Giftmord. Und hatte sie einmal jemand bei zweifelhaftem Tun beobachtet, dann war nicht sie es, sondern der Teufel, der sich ihrer Gestalt bemächtigt hatte. Die Gründung eines eigenen Klosters mit ihr als Äbtissin war ihr Lebensziel. Dazu sollte der Klosterfonds dienen, den die lebenserfahrene Prinzessin Katharina von Hohenzollern als Mitgift beim Eintritt ins Kloster eingebracht hatte. Die war zwar fromm, aber nicht verblendet. Darum sollte sie aus dem Weg geräumt werden. Doch sie überstand nicht nur alle Attacken, sondern konnte sich retten. Gustaf Adolf, Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, wollte zunächst zwar nicht glauben, was seine Cousine berichtete, holte sie aber mit päpstlicher Unterstützung aus dem Kloster und vermittelte ihr einen neuen Beichtvater. Mit dessen Hilfe erhob die Prinzessin Anklage beim Inquisitionsgericht.

Damit sind wir mitten in den kirchenpolitischen Querelen dieser Zeit – und die gehen bis heute. Der Inquisitionsprozeß lief zwar geordnet ab, wenn man von den folgeträchtigen Personalentscheidungen absieht. Zunächst war ja auch alles eher unproblematisch: Angemaßte Heiligkeit war der erste Punkt der Anklage, dann die sexuellen Eskapaden und schließlich das Mordkomplott. Das hätte sich alles gut abwickeln lassen. Dummerweise stellte sich aber bei der Vernehmung des zweiten und sexuell aktiven Beichtvaters, Pater Peters, seine wahre Identität heraus: Joseph Kleutgen (http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Kleutgen), strammer Antimodernist, Vordenker des Ultramontanismus, Verfasser des neuscholastischen Standardwerks Die Theologie der Vorzeit. Trotz seiner Argumentationskunst konnte er einer Verurteilung nicht entgehen. Er war auf die angemaßte Heiligkeit der Nonne und auf ihre Verführungskünste hereingefallen. Dank der Zusammensetzung des Inquisitionsgerichts konnte man ihn aber aus der Schußlinie nehmen. Das Urteil in der Sant’Ambrogio-Affäre wurde mit Rücksicht auf das Image der Kirche nie veröffentlicht, und Kleutgen alias Pater Peters nutzte seine Auszeit zur argumentativen Stützung der neuscholastischen Richtung, in der alles auf die Autorität des Papstamtes zulief. So war er schließlich maßgeblich beteiligt an der Abfassung des Unfehlbarkeitsdogmas, das weithin vom deutschen Episkopat nicht mitgetragen, aber dennoch durchgesetzt wurde. Die Gründung altkatholischer Gemeinden (http://de.wikipedia.org/wiki/Altkatholische_Kirche) hat den Vatikan anscheinend weniger gestört als die Gründung der Pius-Bruderschaft (http://de.wikipedia.org/wiki/Pius-Bruderschaft) in heutiger Zeit. Die lebhaften Bestrebungen, das „Zweite Vatikanische Konzil“ zu revidieren, sind die Neuauflage des Modernistenstreits aus dem 19. Jahrhundert.

Doch eigentlich ist alles entschieden. Der Zentralismus römischer Macht steht festgemauert hier auf Erden – und kann allenfalls in Randbereichen in eine milde Herrschaft umschlagen. Dafür haben nicht nur Joseph Kleutgen und Pius IX gesorgt, sondern auch der emeritierte Benedikt XVI. Wie eng der Verstand in „span’sche Stiefel“ eingeschnürt ist, liest man ausführlich bei Norbert Lüdecke, Kommunikationskontrolle als Heilsdienst.

Wer wird der nächste Papst? Ein Europäer, gar ein Italiener? ein Schwarzer oder Latino? Ein Traditionalist oder eher ein Liberaler?

Wer auch immer. Er ist nicht zu beneiden. Der Vertrauensverlust wird durch immer neue Enthüllungen von Skandalen größer. Die Bindung an Tradition und Dogma wird auch beim besten Willen nicht zu lösen sein – und selbst wenn, – was bringt eine Lockerung in einer immer stärker säkularisierten (westlichen) Welt? Der Byzantinismus des Kirchenstaates steckt in einer ideologischen Sackgasse, darüber kann auch seine operettenhaft-medientaugliche Inszenierung nicht hinwegtäuschen.

Wer allerdings angesichts des Aufmarsches von narzistisch-kostümierten Würdenträgern zum Konklave von einer Schwuchtelparade spricht, kennt die Hintergründe nicht und offenbart nur seine Vorurteile über Homosexualität.

»Von dieser Stunde an war Maria Luisa nichts mehr heilig«

Posted in Geschichte, Gesellschaft, Kirche, Psychologie, Religion by dierkschaefer on 17. Februar 2013