Dierk Schaefers Blog

Pflegebetrug in Milliardenhöhe – Was ist das Überraschende?

Posted in Deutschland, Firmenethik, Justiz, Korruption, Kriminalität, Moral, News, Politik, Soziologie, Staat by dierkschaefer on 16. April 2016

Betrug gibt’s überall. Warum nicht auch im Pflegebereich? Das sollte nicht sein, ist aber nicht weiter überraschend.

Es verwundert auch nicht, wenn es heißt: »Regelmäßige unangekündigte Kontrollen würden kaum stattfinden. „Die meisten Länder haben die Aufsicht auf ein Minimum zurückgefahren“«.[1]

Missstände in Pflegeheimen sind schon lange bekannt. Doch dass die Leute schlecht gepflegt wurden, hat nicht weiter gestört. Beispielhaft sei nur an den Fall der Altenpflegerin Brigitte Heinisch erinnert. Die hatte sich daran gestört und ???? wurde gekündigt.[2]

Neu ist, dass es nun Aufsicht geben soll. Warum? Weil es Unregelmäßigkeiten bei den Finanzen gibt. Man liest sogar von einer Mafia.

Wie sagt man so schön: Wenn’s um Geld geht, hört die Freundschaft auf. Das scheint aber nur für Nutznießer zu gelten, die keine Lobbyisten beschäftigen.

[1] http://www.dw.com/de/bka-ermittelt-gegen-pflege-mafia/a-19192897

http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-04/pflege-pflegedienste-organisierter-betrug

[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2012/04/24/pflegewuste-deutschland-pflegeheime-auf-dem-prufstand/

https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/07/31/wurdiges-sterben/

https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/12/31/2243/

https://dierkschaefer.wordpress.com/2011/08/27/das-strasburger-bugeleisen-und-die-feinen-konturen-des-deutschen-rechts/

Staatsmänner – #Genscher im Vergleich

Gefeiert wird er als großer Staatsmann. Was er zu Europa gesagt hat, ist auch richtig und wichtig, gerade in der jetzigen Krise.

In meinem Beitrag Sand ins Getriebe![1] habe ich an Genschers Anteil an der Ermordung von Elisabeth Käsemann[2] erinnert und das Thema Machthaber angesprochen.

Im Nachhinein musste ich an einen anderen Fall aus der BRD-Geschichte denken, in dem ein Machthaber für den Tod eines Menschen verantwortlich war.

Es begann mit dem Überfall auf Hanns Martin Schleyer in Köln am Montag, den 5. September 1977 und endete 43 Tage später mit seiner Ermordung. »Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekulierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mülhausen in einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen«, stand im Bekennerschreiben.[3]

Hier ist ein Vergleich möglich.

»Noch kurz vor ihrem Tod 2008 sagte Waltrude Schleyer: „Ich habe mich nie damit abgefunden, dass der Staat meinen Mann geopfert hat.“«[4] Aus Gründen der Staatsräson war Helmut Schmidt nicht auf die Forderungen der Schleyer-Entführer eingegangen. Im Staatsakt für den von Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF)[5] ermordeten Arbeitgeber­präsidenten Hanns Martin Schleyer in der Domkirche St. Eberhard , saß die Witwe neben dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt – sie wurde damit ihrer Rolle gerecht. Aber auch Schmidt. Im Jahr 2013 erhielt er den renommierten Schleyer-Preis. Hanns Eberhard, der älteste der vier Söhne Schleyers, war Mitglied der Jury. Es wird bis zur Preisverleihung kein leichter Weg für die Familie Schleyer gewesen sein. Doch sie erwies Schmidt einen – wenn wohl auch schmerzhaften – Respekt.

In seiner sehr persönlich gehaltenen Dankesrede sagte Schmidt: »[Mir ist] sehr klar bewusst, daß ich – trotz aller redlichen Bemühungen – am Tode Hanns Martin Schleyers mitschuldig bin. Denn theoretisch hätten wir auf das Austauschangebot der RAF eingehen können. Als im letzten Herbst Schleyers Sohn Hanns-Eberhard Schleyer mich besucht hat, um mir den heutigen Preis anzutragen, hat mich dies tief berührt. … Umso mehr möchte ich mich vor der heutigen Entscheidung der Familie Schleyer verbeugen. Es rührt mich heute zutiefst, daß die Familie Schleyer öffentlich ihren Respekt gegenüber meiner damaligen Haltung zum Ausdruck bringt.«[6]

Das ist Größe! Vonseiten der Familie und vonseiten Schmidts.

Für Schmidt ist hinzuzufügen: »In einem Interview mit der „Zeit“ 30 Jahre später erzählten er und seine Frau Loki, dass sie 1975 nach dem RAF-Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm, bei der zwei Botschaftsangehörige als Geiseln genommen und, weil der Staat unter Kanzler Schmidt hart blieb, erschossen wurden, eine Entscheidung zu den Akten gegeben hatten: „Falls Frau Schmidt oder Herr Schmidt gekidnappt werden sollten, soll der Staat nicht austauschen.“ Die Selbstbehauptung des Rechtsstaats ist das eine, persönliche Schuld das andere. Helmut Schmidt hat daran nie einen Zweifel gelassen: „Ich bin verstrickt in Schuld gegenüber Schleyer, gegenüber Frau Schleyer und gegenüber den beiden Beamten in Stockholm, die umgebracht wurden.“«[7]

 

Wie erbärmlich ist die Rolle Genschers dagegen. Nichts hat ihn gehindert, diplomatischen Druck auf Argentinien auszuüben um Elisabeth Käsemann zu retten.

Wie erbärmlich sein Kneifen hinterher:

»Dabei wusste die Behörde nach Austins Aussage genau Bescheid, dass Käsemann noch am Leben war und wo sie gefangen gehalten wurde. Selbst das halboffizielle Angebot, sie gegen Geld freizulassen, wurde ignoriert.

Was hinter dieser Untätigkeit steckte, versucht Regisseur Friedler den damaligen Staatsministern Hildegard Hamm-Brücher (FDP) und Klaus von Dohnanyi (SPD) zu entlocken (zu einem bereits zugesagten Interview mit Ex-Außenminister Genscher kam es nicht [Hervorhebung: ds]). Beiden ist die Sache im Rückblick sichtlich unangenehm, plausibel erklären können oder wollen sie ihr Verhalten jedoch nicht. Eine sehr peinliche Figur macht im Film Hamm-Brücher, der man glauben soll, sie sei damals eine Art Praktikantin ohne jeden Einfluss gewesen – und nicht die Nummer zwei im Ministerium. Dohnanyi lässt immerhin durch­blicken, dass das Interesse der deutschen Industrie an guten Geschäften mit den Diktatoren absoluten Vorrang hatte – und „das Mädchen“ (Genscher) dabei ein Störfaktor war.« [Hervorhebung: ds]).[8]

Nun wird Genscher wohl mit einem Staatsakt geehrt werden, die höchste offizielle Würdigung, die unser Staat zu vergeben hat.[9] Das gehört zum Protokoll und ist auch in Ordnung so, denn er hat sich um Deutschland verdient gemacht. Dennoch wäre es nicht unangemessen, wenn bei aller Würdigung auch der Name Elisabeth Käsemann genannt würde. Das wird jedoch nicht geschehen, denn so etwas gehört nicht zum Protokoll.[10] Darum sei hier an Elisabeth Käsemann erinnert.

 

Ein Nachtrag ist noch erforderlich, »auch wenn die Republik diese Namen längst vergessen hat«: Heinz Marcisz, der Fahrer von Schleyer und die Polizisten im Begleitfahrzeug: Reinhold Brändle, Helmut Ulmer und Roland Pieler.[11] Es scheint für die toten Polizisten wohl einen Staatsakt gegeben zu haben: Nach dem Terrorüberfall, berichtet die Mutter von Roland Pieler, »kam ein Telegramm von Bundeskanzler Helmut Schmidt …, 57 Wörter, darunter die vier „in Erfüllung seiner Pflicht“, anschließend ein Staatsakt und eine Entschädigung. 12 500 Mark. „Wir haben unser Auskommen“, sagt die Mutter ausweichend, „es dreht sich nicht um Geld.“ Sie sagt danach nicht mehr viel, nur: „Im Nachhinein hilft in so einer Situation sowieso nichts.“«[12]

Wie ich damals zuverlässig hörte, hatte es der Kirchengemeinderat abgelehnt, den Staatsakt in der Stuttgarter Stiftskirche stattfinden zu lassen. Das war im Zusammenhang mit meiner pompösen Einführung als Polizeipfarrer in der Stiftskirche im September 1978, pompös, weil als Kompensationshandlung gedacht. Darüber werde ich später noch schreiben.

[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2016/04/02/sand-ins-getriebe/

[2] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/06/07/schach-ist-das-spiel-der-konige/ http://jacobsmeinung.over-blog.com/2016/03/elisabeth-kasemann-das-blut-an-den-fingern-des-hans-dietrich-genscher.html

[3] Zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Schleyer-Entf%C3%BChrung

[4] http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Von-Staatsraeson-und-Schuld;art4306,1968810

[5] http://www.spiegel.de/panorama/zeitgeschichte/raf-terror-boock-nennt-namen-von-schleyers-mutmasslichen-moerdern-a-504539.html

[6] http://www.schleyer-stiftung.de/pdf/pdf_2013/Rede_Helmut_Schmidt_autorisiert.pdf

[7] http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Von-Staatsraeson-und-Schuld;art4306,1968810

[8] http://www.tagblatt.de/Nachrichten/Das-Maedchen-stoert-Wie-die-deutsche-Regierung-den-Mord-an-Elisabeth-Kaesemann-in-Kauf-nahm-81990.html

[9] http://www.n-tv.de/politik/Genscher-wird-wohl-mit-Staatsakt-geehrt-article17376296.html

[10] Das wird bei der Verleihung des „Internationalen Mendelssohn Preises zu Leipzig” an Genscher im Jahr 2014 nicht anders gewesen sein. https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/09/08/internationaler-mendelssohn-preis-an-genscher-und-elisabeth-kasemann/ https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/09/08/genscher-und-kasemann/

[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Schleyer-Entf%C3%BChrung

[12] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-24093756.html

Demenz? Die Medikamente dafür wurden an Heimkindern getestet.

Heimkinder dienten als Versuchskaninchen für Nazi-Ärzte und Pharma-Firmen. Die Nazi-Ärzte sind tot, die Pharmafirmen waschen die Hände in Unschuld. Das Franz von Sales-Haus[1] in Essen entlässt den Gärtner, der in Frontal 21 zu Wort kommt.

 

Ob die Handlangerin von Kirche und Staat wußte, warum sie sich am Runden Tisch nur mit den Verbrechen in Kinderheimen befasste und nicht auch mit denen in Behinderteneinrichtungen? Das Thema von Medikamententests tauchte schon am Runden Tisch auf bis hin zu Elektroschock-Therapie am Penis eines Bettnässers. Nun wissen wir mehr. In den Behinderteneinrichtungen und Jugendpsychiatrien scheinen Medikamententests systematisch gewesen zu sein. Hier nur ein paar Auszüge aus dem SPIEGEL-Bericht[2] als Vorbereitung auf den Beitrag von Frontal 21[3]. Wer Phantasie hat, braucht dann keinen Horror-Film mehr.

 

»„Ich habe mehrfach in Dokumenten gefunden, dass Ärzte berichteten: ‚Wir haben das Medikament in Tierversuchen getestet, wir müssen das jetzt am Menschen testen.’ Und da hat man Heimkinder dafür benutzt.“«

»Heimkinder waren bis in die Siebzigerjahre weitgehend rechtlos und daher als Testpersonen den Pharmafirmen und Ärzten hilflos ausgeliefert. Die involvierten Konzerne lehnen auf Anfrage jedoch jede Verantwortung für die damaligen Studien ab. Merck etwa verweist auf die damals andere Gesetzeslage zur Dokumentation von Medikamententests: „Wir können uns nicht für etwas entschuldigen, was nicht in unserer Verantwortung lag. Sollten sich Dritte nicht entsprechend Gesetzeslage verhalten haben, bedauern wir das selbstverständlich.“ Auch die Troponwerke sehen sich nicht in der Verantwortung. Ihnen lägen keine Informationen vor.«

»Die Pharmazeutin Sylvia Wagner hat bisher 50 Studien mit Heimkindern gefunden, die im Auftrag oder in Kooperation mit Arzneimittelfirmen entstanden. Sie sagt, das sei nur die Spitze eines Eisbergs. „Ich habe in keinem einzigen Fall einen Hinweis gefunden, dass die Kinder aufgeklärt wurden oder überhaupt gefragt wurden. Auch die Eltern wurden nicht gefragt.“«

»Innerhalb eines Dreivierteljahrs mussten die Kinder des Kinderheims insgesamt über 37.000 Pillen schlucken, darunter allein 13.000 Tabletten Truxal. Der Test wurde nur deshalb aktenkundig, weil der langjährige Heimarzt den extrem hohen Einsatz von Psychopharmaka ablehnte und unter Protest zurücktrat.«

»Der Versuch fand in Kooperation mit der herstellenden Pharmafirma Merck statt. Der Darmstädter Konzern brachte das Medikament 1963 auf den deutschen Markt, es wird heute als Antidemenzmittel verkauft. Die Ergebnisse der Studie veröffentlichte Heinze in einer medizinischen Fachzeitschrift – einer der wenigen bisher bekannten Belege für Medikamententests mit Heimkindern.«

»Das Psychopharmakon wird in der Fachinformation nur für Erwachsene empfohlen, damals wurde es aber an Kindern des Heims Neu-Düsselthal erprobt.«

»Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie Wunstorf war bis Anfang der Sechzigerjahre Hans Heinze, ein skrupelloser Arzt mit Nazivergangenheit. Während der NS-Zeit war er Gutachter des Euthanasie-Mordprogramms T4, bezeichnete unzählige Kinder als „lebensunwert“ und schickte sie in den Tod. Nach 1945 konnte er seine Karriere in Wunstorf fortsetzen.«

 

Keiner will die Verantwortung übernehmen – sehen wir einmal von der christlichen Reaktion des Franz-von-Sales Hauses ab.

Wie wär’s mit der Bundesärztekammer? Schließlich waren es Ärzte, die als Erfüllungsgehilfen der Pharma-Unternehmen die Verantwortung trugen – und wohl gut daran verdienten. Ja, ich weiß, die sind tot. Aber könnte neben die Kollektivscham nicht auch eine Kollektivverantwortung treten? Den Kirchen wird sie zugeschrieben und viele der damals in kirchlichen Einrichtungen misshandelten Heimkinder sind ausgetreten. Das ist verständlich. Wie kann man es den staatlichen Einrichtungen, den Ärzten und den Pharmafirmen „heimzahlen“?

Ich fürchte, die sind noch mehr „fein raus“ als die Kirchen.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Sales_Haus

[2] http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/medikamententests-in-deutschland-das-lange-leiden-nach-dem-kinderheim-a-1075196.html

[3] http://www.zdf.de/frontal-21/medikamententests-deutscher-pharmafirmen-in-kinderheimen-42014560.html

Aus dem Nähkästchen plaudern? Nein, das tut er nicht, kann aber viel aufzählen zum Vertrauen im Arzt-Patienten-Verhältnis.

Posted in Gesellschaft, Justiz, Korruption, Kriminalität, Kriminologie, Politik by dierkschaefer on 7. August 2015

»Das Vertrauen, das die Bundesärztekammer postuliert wie eine geschuldete Vorleistung auf Heilung, unterscheidet sich in Nichts von dem Vertrauen, das Priester von Ihnen fordern, bevor sie Ihnen eine Befreiung von der „Erbsünde“ in Aussicht und Rechnung stellen. Im Krankheitssystem, liebe Patienten, besteht die Erbsünde in der bloßen Tatsache, dass Sie leben, vergehen und sterben.«[1]

»Das „Arzt-Patienten-Verhältnis“ … ist, nach Ansicht des Hartmannbundes und des Großen Senats, derart bestimmt von innig-einseitigem Vertrauen, dass jede Analogie zu schnöden Marktverhältnissen abwegig sei. Mag sie gelten für Ingenieure, den TÜV, Seilbahnunter­nehmen und Luftverkehrsgesellschaften, für wen auch immer –nicht aber für leibhaftige Vertragsärzte! Der Unterschied zwischen einem Rechtsanwalt und einem Kassenarzt ist, dass der Kunde den Arzt notgedrungen liebt, den Rechtsanwalt naturgesetzlich hasst. Und sind wir nicht alle in der Hand des Hippokrates?«

Vergnüglich und bedrückend zugleich zu lesen. Doch so ist sie, unsere Gesellschaft. Auch wir, die wir gern korrumpierbar wären, aber leider nicht so einen hohen korruptiven Marktwert haben.

[1] Alle Zitate aus http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/aerzte-bestechung-korruption-pharmaindustrie/komplettansicht

Tagged with: , ,