Dierk Schaefers Blog

Die Weihnachtsgeschichte für Erwachsene steht bei Johannes

Posted in Christentum, Literatur, Religion by dierkschaefer on 18. Dezember 2023

Die Weihnachtsgeschichte für Erwachsene

Posted in Geschichte, Literatur, Theologie by dierkschaefer on 11. Dezember 2023

Hier ist sie. Sie steht beim Evangelisten Johannes:

Religion und die Wahrheit hinter den Wahrheiten

Posted in Christentum, Ethik, Gesellschaft, kirchen, Leben, Philosophie, Psychologie, Religion, Soziologie, Theologie, tradition by dierkschaefer on 18. April 2023

Die Wahrheitsfrage ist die Gretchenfrage für Religionen.

Ob bei kirchlichen Aktivitäten die Wahrheit hinter den Wahrheiten aufscheint?

Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, Endzustand nach Restaurierung © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Kristina Mösl, Francesca Schneider, https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/der-moench-ist-zurueck/

Da sind nicht nur die Kirchentage zu nennen mit ihrer hohen Beteiligung von Jugendlichen und der Präsenz hochrangiger Politiker; da gibt es das Flüchtlingsschiff der EKD („Schicken wir ein Schiff“) oder die Trauergot­tes­dienste bei Aufsehen erregenden Unglücksfällen und Katastrophen. Und selbst über die zur­zeit arg gebeutelte katholische Kirche schreibt die Süddeutsche Zeitung[1]: „Dabei kann die katho­lische Kirche ja noch überzeugen – nämlich da, wo ihre Mitglieder sichtbar die Bot­schaft Jesu leben. Wo Pfarrgemeinden Kleider und Möbel sammeln und Deutschkurse für die Flücht­lings­familie organisieren. Wo Pfarrer, Ordensfrauen und Mönche lieber Gefängnis riskieren, als zuzulassen, dass junge Frauen aus dem Kirchen­asyl in einen unsicheren Staat abgeschoben werden. Wo Seelsorger in Vollschutz­montur Sterbende und Kranke auf der Corona-Station begleiten. Wo Hochschulpfarrer einem Obdach­losen erlauben, in der Garage der Hochschul­gemeinde zu schlafen und ihn mit Lebensmitteln versorgen.“[2] Auch die öku­menisch getra­gene Telefonseelsorge, die Vesper­kirchen und die inzwischen bundesweit angebotene Notfallseel­sorge sind hier zu nennen.[3]

Um Wahrheit in der Religion geht es in diesem Artikel, der auch, etwas gekürzt, in der aktuellen Ausgabe des Evangelischen Pfarrerblatts erschienen ist: https://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/aktuelle-beitraege?tx_pvpfarrerblatt_pi1%5Baction%5D=show&tx_pvpfarrerblatt_pi1%5Bcontroller%5D=Item&tx_pvpfarrerblatt_pi1%5BitemId%5D=5634&cHash=edc1e697669742f2a3249ef16130b7fc  

Hier der komplette Artikel als PDF – und zum Schluss eine etwas überraschende Antwort.


[1] Die immerhin einen wichtigen Anteil hat an der Berichterstattung über schlimmste klerikale Pädokriminalität.

[2] http://sz.de/1.5512588

[3] Die Notfallseelsorge nannte ich einmal das „letzte volkskirchliche“ Projekt. https://dierkschaefer.wordpress.com/2015/03/26/notfallseelsorge/

Gott wird Kind! Unorthodoxe Gedanken eines Pfarrers zur Weihnachtsgeschichte

Posted in Biographie, Ethik, Geschichte, Kinder, Kinderrechte, Kindeswohl, Religion, Theologie, tradition by dierkschaefer on 20. Dezember 2021

Gott wird Kind! Er wird „niedrig und gering“, er begibt sich schutzlos in die Gewalt der Menschen. Das ist der Kern der Weihnachtsgeschichte – was für ein Narrativ! Ein Narrativ? Es dürfte eines der wirkmächtigsten Narrative in der Geschichte der Menschheit sein.

Ein Narrativ, so lesen wir bei Wikipedia, ist eine sinnstiftende Erzählung, es transpor­tiert Werte und Emotionen. Narrative sind keine beliebigen Geschichten, sondern etablierte Erzäh­lungen, die mit einer Legitimität versehen sind. Sie mögen also erfunden sein, aber nicht frei erfunden und erst recht nicht „erstunken und erlogen“, wie manche Kritiker der Bibel pau­schal bemängeln. Man möge mir die falsche Etymologie nachsehen: Nur Narren halten Narra­tive für Narretei. Psalm 53,2: „Es spricht der Narr in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott“.

Doch der Reihe nach: Keiner von denen, die bei Jesu Geburt dabei waren, hat die Sensations­meldung verbreitet: „Gott wird Kind!“. Die Nachricht kam erst postum, nach dem Tod des „Gottessohnes“. Wir müssen also vom Ende her denken, auch zu Weihnachten. Ohne Tod keine Auferstehung und keine Weihnachtsgeschichte.

Der Mensch Jesus, ein Wanderprediger, wurde von seiner Gefolgschaft nicht nur verehrt, son­dern für den Sohn Gottes gehalten. Erst sein unfassbarer Verbrechertod am Kreuz und die Erfah­rungen seiner Gefolgschaft, er sei noch immer gegenwärtig, ließ sie nachdenken, wie alles angefan­gen haben könnte. Und so verlängerten sie das im Entstehen befindliche Narrativ von seiner Auferstehung und seinem Wirken als Wanderprediger bis zu seinem Lebens­be­ginn. Das war logisch – und da es mit Gott zusammenhängt: theo-logisch, und dieses sehr subtil und durch­dacht – unter Rückgriff auf Narrative aus dem jüdischen Testament; wir nennen es das alte und schlagen damit einen großen Bogen von einer alten Religions­ge­schichte zu einer neuen. So machte es schon Matthäus sehr ausgeprägt. Auf die Probleme will ich hier nicht eingehen.

Das Lukasevangelium schafft eine gar nicht so neue Verknüpfung. Denn schon im „Alten“ Testament war die Geschichte Israels mit der übrigen Geschichte verbunden worden. Lukas verankert die Kindwerdung Gottes in der Profangeschichte: „…es begab sich aber zu der Zeit des Kaisers Augustus, … da Cyrenius Landpfleger in Syrien war…“ Damit ist zwar nichts bewiesen, doch das Narrativ wird geerdet und logisch nachgerüstet: Dem Leben Jesu wird mit der Geburtsgeschichte ein Anfang gegeben – und der steckt, welch Wunder, schon voller Wunder, und voller Theo-Logik.

Gott wird Kind – was bedeutet das? Aus „Herr Gott“ wird das Kind Gott und er zum Vater-Gott. Ein Mensch wird zur Gottes-Mutter. Das hatte bei dem Schürzenjäger Zeus/Jupi­ter noch keine theologische Bedeutung, sondern gehörte zu den göttlich-allzumenschlichen Eskapaden.

Für mich sind zwei theologische Erkenntnisse wesentlich:

Mit der Menschwerdung Gottes in der Zeit von Augustus und Cyrenius beginnt die Säkula­ri­sierung: Gott wird weltlich.

Mit der Kindwerdung Gottes haben wir eine Aufgabe: Schutzlose Kinder um Gottes Willen zu schützen und zu fördern. An Fördern war damals noch nicht zu denken. Kinder wuchsen einfach in das Leben ihrer Eltern und deren Umwelt hinein. Ein Traum heutiger Sozialroman­tiker: Erziehen? Nein, einfach wachsen lassen! – Wir sind dagegen realistischer: Erziehung und Förderung sind nötig. Aber Fördern wohin, zu was?

Prof. Jürgen Eilert (et al.) beschreiben unter dem sperrigen Titel „Operationalisierbarkeit des Eigenstandsschadens …“ unsere Aufgabe bei Kindern. Der Begriff Eigenstand ist genauso sperrig. Gemeint ist die Stärkung der Persönlichkeit des Kindes, das im Sinne des Grundge­setzes frei – eigen­ständig – seinen Platz in dieser Gesellschaft einnehmen und behaupten können soll: „Es geht um die schrittweise zu entwickeln­de Fähigkeit des Men­schen, über­haupt verantwort­liche Entscheidungen im Sinne der Ausgestaltung seines Persönlichkeits­rechtes zu fällen.“ Dazu gehört der soziale Aspekt. Nämlich „die schrittweise zu entwickelnde Fähig­keit des Men­schen, soziale Verantwortung für den Eigenstand und das Persönlichkeits­recht anderer Menschen zu übernehmen.“

Auf dem Weg zu dieser Eigenständigkeit kann manches schiefgehen, wenn wir nicht aufpas­sen. Ein Baby ist, wie wir schon länger wissen, ein „Nesthocker“, eine „physiologische Früh­geburt“. Wichtige Anteile der Reifung finden außerhalb des bergenden Mutterleibes statt und benötigen die Geborgenheit in der Umwelt des Kindes. Dafür gibt es Zeitfenster. Wenn die nicht genutzt werden, schlimmer noch, wenn dann falsche Prägungen erfolgen, dann ist das Fenster zu und eine Nachreifung sehr aufwendig. Wir denken dabei an die Traumatisierungen in Kindheit und Jugend, aktuell an den sexuellen Missbrauch von Kindern.

Gott wird ein schutzloses Kind. Im Narrativ wurde die Szene passend ausgemalt: Der herzlose Wirt, die ärmlichen Hirten, aber dann auch der Chor der Engel und das „Fürchtet euch nicht!“ Die Könige mit ihrem Stern kamen später hinzu – alles gut theologisch. Und schließlich der ganze Weihnachtskitsch. Doch der Kern bleibt: Gott wird Kind und erdet sich – und wir haben hier auf Erden eine Aufgabe – für die Kinder. Das kann auch schiefgehen: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat‘s nicht ergriffen.“ (Jh 1;5).

Nachtrag

Ich habe jetzt ein Narrativ „aufgedröselt“. Ist es damit kaputt? Ich denke nein. Wir in meiner Familie pflegen und erzählen es weiter. Wir bauen die Krippe auf, lesen unseren mittlerweile erwachsenen Kindern die Weihnachtsgeschichte vor, wir „gehen auf Tournee“ mit „Bethle­hem, Provence“ als „Szenische Lesung“ der südfranzösischen Weihnachtsgeschichte“, meist einbettet in einen Gottesdienst. Wenn genug Zeit ist, vergleiche ich im Gespräch mit den Zuhörern das Narrativ und die Erzählungen bei Lukas und Matthäus – da gibt es erhebliche Unterschiede. Wir stellen übrigens – ein anderes Narrativ – zum Nikolaustag unsere Stiefel vor die Terrassentür. Wir tauchen ganz bewusst in unsere Kindheitserinnerungen ein, wenn auch die Naivität weg ist: Das Narrativ erinnert an die Kindheit.

So ganz banal ist das Weihnachtsnarrativ nicht. Der geschmückte Weihnachtsbaum ist schön, aber ohne den Gedanken an einen Gott, der als Mensch geboren wurde und seinen Engel verkünden lässt: „Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind“, ist das alles nur Brauchtum.

Damit bin ich schon wieder im Narrativ. Es ist „unkaputtbar“.

Zur Information zu Eilert (et al.): Ich habe den 29seitigen Essay der Autoren auf gut fünf Seiten „eingedampft“ – und die wenigen Sätze oben sind der Extrakt davon. Man lese nach:

Weihnachtslieder in einem Land „religiöser Ahnungslosigkeit“

Posted in Christentum, Deutschland, Geschichte, Kirche, Kultur, Leben, Medien, Religion, Soziologie, Theologie by dierkschaefer on 20. Dezember 2017

„Das Christentum ist weitgehend zur Folklore verkümmert. Nur noch eine Minderheit der deutschen und westeuro­pä­ischen Christen weiß, warum Feste wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten gefeiert werden und was der Advent – außer dem Adventskranz – bedeutet. Es herrscht religiöse Ahnungslo­sig­keit“schreibt Michael Wolffsohn, deutsch-israelischer Historiker und Publizist am 5. Dezember.[1]

Meine Aufmerksamkeit war geschärft durch die häufige Erwähnung unserer großen Distanz zur noch mittelalterlichen Vorstellungswelt Luthers. Den hatte die Frage nach dem gnädigen Gott umgetrieben, wie es beim diesjährigen Reformationsgedenken ganz richtig herausgestellt wurde. Doch ohne die Furcht vorm Fegefeuer und dem Jüngsten Gericht verliert die Frage ihre Brisanz und ein Gott wird nicht mehr geglaubt, der wie ein deus ex machina, als Akteur ins Weltgeschehen wun­der­haft eingreift. »Vor der Moderne beziehungsweise Säkularisierung fragten die vom Leid betroffenen Menschen: „Weshalb hat Gott das zugelassen?“ Seit der Säkulari­sie­rung fragen sie: „Wo war, wo ist Gott?“, und „wissen“ sogleich die Antwort: „Es gibt ihn nicht“, oder „Gott ist tot“.«[2]

Doch in den Weihnachtsliedern ist dieser Gott präsent. Lassen wir mal den kitschigen Teil beiseite, wo das „Christkindlein“ brav-reflexhaft[3] auf den Klang der Glocken reagiert: “tut sich vom Himmel dann schwingen eilig hernieder zur Erd’“. Nein, ich denke an die dogma­tisch korrekten Lieder. Wer außer den Theologen versteht denn noch, was da gesungen bzw. in den Kaufhäusern abgedudelt wird? „Welt war verloren, Christ ward geboren“. Und dann die ganze Herrschaftsmetaphorik: „Der Herr der Herrlichkeit“, „O, lasset uns anbeten, den Kööööönig“. Ist da vom Gott-König Bhumibol die Rede? „Er ging aus der Kammer sein“; ein Kammerherr? in seiner Präexistenz? Nein, aus „dem königlichen Saal so rein“ – „uns allen zu Frommen“, was ist denn das nun wieder? Das Schiff, das da „geladen“kommt, erklärt immer­hin, was da geladen ist, doch dann soll man „sterben und geistlich auferstehn“, was heißt denn das? „O Jesu, Jesu setze mir selbst die Fackel bei“; äh? „Dein Zion streut dir Pal­men und grüne Zweige hin“, da muss man ja Gedankensprünge machen, selbst wenn man bei Matthäus 21,8 nachgeschlagen hat. „Tochter Zion“; ja, das singt man so, doch wer ist diese Tochter? Die Jungfrau, die „durch den Dornwald“ ging? Lauter Fragen. „Von Jesse kam die Art“; Jesses, ich versteh’s nicht; ist das Jesus? „Ich lag in tiefster Todesnacht“, na ja, so stressig ist Weihnachten dann doch nicht. „Sünd und Hölle mag sich grämen, Tod und Teufel mag sich schämen“, soll’n sie ruhig. Das Bild vom „Vater im Himmel“ wird ja immer­hin kompensiert durch die „Gottesgebärerin“, doch welche Rollenaufteilung?! Was sagt Frau Schwarzer dazu?

Warum singen die Leute Texte, die sie nicht verstehen, die nach ihrer Logik „Un-Sinn“ sind? Hat es zu tun mit den kitschigen Engeln? Sie sind „hereingetreten, kein Auge hat sie kommen sehn, sie gehn zum Weihnachstisch und beten, und wenden wieder sich und gehn“. Da werden Kindheitserinnerungen wachgerufen, Baum und Gabentisch bekommen göttliche Weihe – dann gehen die Engel wieder und wir können endlich die Geschenke auspacken. Aber „Gottes Segen bleibt zurück“.

posaunenengel.jpgDa wurde Gott Mensch – wurde ein Mensch Gott. Wen inter­essiert das noch außer den Theologen und einigen „religiös-Musikali­schen“?

Bleibt nur die Hoffnung auf den Heiligen Geist, den Geist, der unab­hängig von wandelbaren Geschichten und Gottesbildern, uns den Frieden nicht aus den Augen verlieren lässt.

 

Fußnoten

[1] Michael Wolffsohn, Im Land herrscht „religiöse Ahnungslosigkeit“, http://www.schwaebische.de/politik/inland_artikel,-Im-Land-herrscht-%E2%80%9Ereligioese-Ahnungslosigkeit%E2%80%9C-_arid,10780096.html
[2] s. Wolffsohn.
[3] gleich einem Pawlow’schen Hund

Jedem seine Rolle im Weihnachtsgeschehen

Posted in Kunst, Religion, Theologie by dierkschaefer on 21. Dezember 2014

Die Rolle des hartherzigen Wirtes aus Bethlehem ist in Görlitz schon besetzt –  durch einen Investor.[1] Der sagt zwar, die Weihnachtsgeschichte habe keine historischen Hintergrund, womit er recht hat.

Doch Geschichten haben ihre eigene Realität und er hat sich passend eingeordnet.

 

In der Pastorale des Santons de Provence [2]sagt Boufareou, der Trompetenengel des Herrn, auch völlig ohne historischen Hintergrund:

 

„Die Wunder dieser Nacht kann ich euch nicht alle erzählen. Zum einen waren es zu viele, zum anderen ist es so: der liebe Gott macht den Menschen gern eine Freude, aber er mag es gar nicht, wenn man seine Wunder laut herausposaunt. Und im übrigen gab es einen in Bethlehem, auf den die gute Nachricht und die bezaubernde Musik gar keine Wirkung hatten. Das war der herzlose Roustido. Er war der einzige Reiche in Bethlehem. Er besaß hektarweise Olivenbäume, Mandelbäume, Apfelbäume … aber je mehr er verdiente, desto mehr trocknete sein Herz aus. Die Heilige Schrift verschweigt es, um ihm nicht weh zu tun, aber er war es, der den Heiligen Joseph und die Heilige Jungfrau vor die Tür gesetzt hat. So einer war Roustido.“

[1] https://dierkschaefer.wordpress.com/2014/12/20/ach-weihnachten-horen-sie-auf-mit-dem-firlefanz-das-mit-der-krippe-ist-doch-nur-ein-marchen-ohne-jeden-historischen-hintergrund/

[2] Deutsche Fassung: Bethlehem, Provence, http://www.amazon.de/Bethlehem-Provence-Eine-Weihnachtsgeschichte-Nachspielen/dp/393736756X

http://bookview.libreka.de/retailer/urlResolver.do?id=9783937367576&retid=100355#X2ludGVybmFsX0ZsYXNoRmlkZWxpdHk/eG1saWQ9OTc4MzkzNzM2NzU3NiUyRkZDJmltYWdlcGFnZT0mX19zdGI9U3VjaHRleHQ=

Eine Flüchtlingspfarrerin und eine „Weihnachtsgeschichte“.

Posted in Geschichte, Politik by dierkschaefer on 1. Dezember 2014

Bei der Asylpfarrerin ist die Kirchensteuer am rechten Platz[1].

 

Wie das mit dem Alter so kommt (und bevor Alois Alzheimer zuschlägt): So viel Neues unter der Sonne sehe ich doch nicht.

1992, vor 22 Jahren, kam das damals neue Asylgesetz und ich schrieb an meine damalige Klientel einen Weihnachtsgruß, die Scans unten.

Der besseren Lesbarkeit wegen sei der „weihnachtliche“ Text hier wiedergegeben:

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es begab sich aber in unserer zeit, daß ein gebot von den parteien vorbereitet wurde, daß unsere welt geschützet werde.

und diese schutzmaßnahme war die allererste seit der zeit, in der bei uns menschen verfolgt und vergast wurden. wer damals es schaffte davonzukommen, flüchtete durch länder und meere und fand oft keine duldung.

und unsere väter zogen daraus die lehre, daß asyl für politisch verfolgte grundrecht sein müsse.

doch dann machte sich auf in unseren tagen eine menge von menschen aus aller despoten und kriegsherren länder, auf daß sie sich schützen ließen, viele davon mit frau und kind.

auch aus den armen ländern der welt, von den reichen geplündert, kamen viele, gelockt durch unseren reichtum und durch die versprechungen ihrer schlepper, auf daß sie sich geben ließen, was wir durch klugheit und fleiß und unrechte handelsbedingungen und die macht unserer handlanger vor ort trickreich und wohlfeil erworben.

und als sie allhier waren, kamen sie in lager und schlichtwohnungen, denn wir hatten schon keinen raum für die eigenen armen im lande, an denen seit jahren der reichtum vorbeifloß.

dazu kamen noch die menschen der neuen länder, wie ein fauler apfel uns in den schoß gefallen, weil ihr system in konkurs ging.

und die vom abstieg bedrohten der alten und neuen länder des bundes suchten sündenböcke und setzten flammen­zeichen der braunen vergangenheit: gegen die fremden, gegen alle nutzlosen fresser!

 

da sprachen die mächtigen hierzulande: seht ihr die zeichen ? das land wird unregierbar. wir brauchen ein gesetz, das uns die fremden vom hals schafft.

und so entdeckten sie einen cordon sanitaire:

ein rettungsring von sicheren staaten, die nicht verfolgen, umschließt uns fast völlig, der soll uns schützen. wer zu uns kommt durch diesen ring, soll dahin zurück.

doch wer direkt uns erreicht aus einem land, das verfolgt, der darf für sich um aufnahme heischen, so bleibt das recht auf asyl in seinem wortlaut erhalten, und unser gewissen besänftigt.

 

doch welcher verfolgte kann schon ganz regulär, mit paß, visum und geld seinen häschern entkommen und hier bei uns landen? denn nur der luft- und der seeweg vermeiden den listig erklärten juristischen schutzwall.

es werden wohl nur noch die herren aus dem morgenland an unserer krippe erscheinen, – wenn eines tages sich ihre völker erheben, doch diese politisch verfolgten fallen uns kaum je zur last, denn sie bringen mit sich den reichtum der völker, die sie beraubt.

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In den vergangenen 22 Jahren ist nichts besser geworden.

[1] http://evangelischesfrankfurt.de/2014/11/das-kreuz-unter-der-kleidung/

asyl 1992-1 - Kopie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

asyl 1992-2 - Kopie