Dierk Schaefers Blog

Sally Perel, der „Hitlerjunge Salomon“ ist tot.

Posted in Deutschland, Geschichte, Gesellschaft, Kinder, Krieg, Kriegskinder, Leben, Nazivergangenheit, Zeitgeschichte by dierkschaefer on 3. Februar 2023

Gern und voll Hochachtung denke ich an diesen bemerkenswerten Menschen, eine bemerkenswerte Persönlichkeit und ein bemerkenswerter Lebenslauf.

Ich habe Sally Perel mehrfach erleben dürfen, sogar mit meiner Familie und ihm einen Ausflug gemacht. Dadurch habe ich ihn mehrfach mit seiner Geschichte gehört. Seine Berichte changieren ein bißchen in der Wortwahl, sind aber in den Grundzügen überprüft: „… es wurde auch in einigen Medien behauptet, dieser alte Herr dort in Israel — damit meinte man mich — hat diese Geschichte erfunden. Um das zu beweisen, haben mich zwei deutsche Zeitschriften aus Israel nach Deutschland eingeladen, der Stern und der Spiegel. Unter anderem ist es ihnen gelungen, die Adresse des Soldaten ausfindig zu machen, der mir damals gegenüberstand und mich fragte, ob ich Jude bin. Wir haben ihn bei sich zu Hause besucht. … Die Journalisten fragten ihn: »Herr Weidemann« – so heißt er – »erinnern sie sich noch an diesen Moment?“«. Er sagte: »Ja, natürlich. Ich war mit ihm fast ein Jahr in derselben Wehr­machtseinheit.«“ https://dierkschaefer.wordpress.com/2018/09/02/erinnerung-und-identitaet/ , Fußnote 1.

Da sind wir schon in seiner dritten Lebensphase. Die erste war ganz normal: Ein jüdisches Kind, – bis er aus der Schule flog, weil er Jude ist. In der zweiten Phase war er ein begeisterter Hitlerjunge, in der dritten Phase durfte er wieder Jude sein bis er nach einer inneren Quarantäne von 40 Jahren seine Geschichte erzählen konnte.

Doch was rede ich. Wer seinen Film nicht gesehen hat, lese im Anhang, was er in der Akademie berichtete, denn im Jahr 2000 referierte er auf unserer Kriegskindertagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Zu den Tagungsteilnehmern war auch meine Frau mit sämtlichen Grundkurs­schülern Religion ihres Gymnasiums gestoßen. Das war Sally Perel wichtig, er wollte junge Menschen erreichen. So kam er bis ins hohe Alter nach Deutschland und erzählte seine erstaunliche Geschichte in Schulen, denn die Jugend wollte er erreichen um sie zu wappnen gegen den braunen Ungeist, der sich schon wieder breitmachte. Als er von sechs Schülern mit dem Hitler-Arm-hoch begrüßt wurde, sagte er: Ihr wollt in die Hitlerjugend? Dann fragt mich. Ich war dort. Zum Schluss ließen sie sich sein Buch signieren.

Doch nun sein Vortrag (Quelle: Dokumentation zur Tagung „Kriegskinder gestern und heute2 vom 17. – 19. April 2000, Nr. 12/2000, ISSN 0170-5970)

Die sehr katholische Lösung eines Problems?

Posted in Uncategorized by dierkschaefer on 9. Januar 2023

Da gab es, wenn wir einem Literaten[1] Glauben schenken wollen, ein total verarmtes Kloster in den Alpilles. Ausgerechnet der Kuhhirte, der am wenigsten geachtete Bruder, kam auf die rettende Idee: Ein Likör sollte die Finanzlage aufbessern – er kannte das Rezept. So wurde das Kloster zum florierenden Wirtschaftsbetrieb, er zum „Ehrwürdigen Pater Gaucher“ – und zum Alkoholiker.

Und da, eines schönen Sonntagmorgens, während der Schatzmeister vor versammeltem Ordenskapitel seinen Jahresabschlußbericht las und ihm die guten Mönche mit glänzenden Augen und mit einem Lächeln auf den Lippen lauschten, da platzte doch Pater Gaucher mitten in die Sitzung hinein und schrie:

„Schluß! Ich mache keinen mehr. Gebt mir meine Kühe wieder!“

„Was gibt es denn, Pater Gaucher?“, fragte der Prior, der wohl ahnen mochte, was los war.

„Was es gibt, Hochwürden? Das gibt es: ich bin auf dem besten Wege, mir eine schöne Ewigkeit mit Flammen und Forkenstichen zu bereiten … Ich trinke, ja, ich saufe wie ein Loch!“

„Aber ich habe Euch doch gesagt, Ihr solltet Eure Tropfen zählen.“

„Ach, gewiß doch, meine Tropfen zählen! Jetzt müßte man schon die Becher zählen … Ja, Ihr ehrwürdigen Patres, so weit ist es mit mir gekommen. Drei Phiolen jeden Abend! Ihr müßt einsehen, daß das so nicht weiter­gehen kann. Drum mag das Elixier herstellen, wer will. Das Feuer des Herrn verbrenne mich, wenn ich da noch mitmache!“

Nun lachte das Ordenskapitel nicht mehr.

„Unglückseliger, Ihr ruiniert uns doch!“ schrie der Schatzmeister und schwenkte sein dickes Buch.

„Wäre es Euch denn lieber, ich brächte mich um die ewige Seligkeit?“

Da erhob sich der Prior.

„Meine ehrwürdigen Brüder“, sagte er und streckte seine schöne weiße Hand aus, an welcher der Hirtenring leuchtete. „Es gibt ein Mittel, alles wieder in Ordnung zu bringen … Es ist doch so, daß Euch der Dämon des Abends heimsucht, nicht wahr, mein lieber Sohn?“

„Ja, Herr Prior, regelmäßig, jeden Abend … Auch jetzt, wenn ich an die Nacht denke, bricht mir, mit Verlaub zu sagen, der kalte Schweiß aus, wie dem Esel, der den Packsattel sieht.“

„Wohlan, beruhigt Euch … Fortan werden wir jeden Abend bei der Messe das Gebet des heiligen Augustinus sprechen, durch das vollkommener Ablaß erteilt wird. Damit seid Ihr, was auch immer geschehen möge, in Sicherheit. Das bedeutet Absolution während der Sünde.“

„Oh, gut! Schönen Dank auch, Herr Prior!“

Und Pater Gaucher war’s zufrieden und kehrte zu seinen Retorten zurück, leicht wie eine Lerche.

Und tatsächlich, von diesem Augenblick an versäumte der die Messe lesende Priester wahrlich niemals, am Ende der Fürbitten die Worte zu sprechen: „Laßt uns für unseren armen Pater Gaucher beten, der seine Seele dem Wohle der Bruderschaft opfert … Oremus Domine …“

Und während über alle diese weißen Kapuzen, die sich im Schatten der Kirchenschiffe tief verneigten, zitternd das Gebet strich wie ein leichter Nordwind über Schnee, hörte man am anderen Ende des Klosters hinter dem erleuchteten Glasfenster der Destillerie Pater Gaucher aus vollem Halse singen.


[1] Alphonse Daudet beschreibt in seiner Novellensammlung „Lettres de mon moulin“ (1866), deutsch: „Briefe aus meiner Mühle“ (1879), in der fiktionalen Erzählung „L’Élixir du révérend père Gaucher“ die Erzeugung eines Klosterlikörs durch den Prämonstratenserbruder Gaucher, der die Abtei Saint-Michel-de-Frigolet aus ihrer prekären wirtschaftlichen Lage befreit. https://de.wikipedia.org/wiki/Saint-Michel-de-Frigolet

Der Likör wird immer noch erfolgreich verkauft.

Der Schattenmann – Unübliche Gedanken zu Weihnachten

Posted in Christentum, Geschichte, Kirche, Kultur, Kunst, Religion, Weltanschauung by dierkschaefer on 21. Dezember 2022

Der Schattenmann – Unübliche Gedanken zu Weihnachten – Dierk Schäfer

Was ist bloß mit Joseph los?

Im Schatten seiner Frau betrat er die biblische Geschichte. Dort blieb er und füllte seine Nebenrolle brav aus:

Dazu hier das PDF:

Zur persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder der Anerkennungskommission der norddeutschen evangelischen Kirchen

Fazit: Bei aller von mir unterstellten persönlichen Ehrenhaftigkeit der Mitglieder: Unabhängigkeit sieht anders aus, sie muss auch für die Betroffenen glaubhaft sein.

Und hier geht’s zum PDF:

Alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit

Posted in Uncategorized by dierkschaefer on 4. Dezember 2022

tauchen auch Erinnerungen an meine Schule und die Weihnachtsfeiern in der hannoverschen Marktkirche auf. Richtig: Die Humboldtschule im Arbeiterviertel Hannover-Linden ging zur Weihnachtsfeier in die Hauptkirche von Hannover, also nicht nach Linden. Darunter taten wir’s nicht. Ein Solist sang regelmäßig den Evangelimann aus Bachs Weihnachtsoratorium. Im Rückblick finde ich das gut und vorbildlich.

Wir Schüler hatten aber mehr Gefallen am Bummel über den Weihnachtsmarkt im Anschluss an den Gottesdienst,  mit Schmalzkuchen und „Omas Liebling“, der uns regelmäßig amüsierte: Unter dieser Bezeichnung war eine XXXL Damenunterhose ausgestellt, Jahr für Jahr.

Wir waren schon etwas Besonderes – und das lag an unserem Direx, Zeus mit Spitznamen. Ein Professor mit Habilitation aus Taipeh.

Er hatte Ansprüche:

So meinte er, ein Klavierflügel koste ja nicht mehr als ein VW-Käfer, so solle man sich doch besser den Flügel leisten. Wir Kinder aus dem Arbeiterviertel hörten es mit Staunen.

Er präsentierte uns auch einen Zauberkünstler in der vollbesetzen Aula und meinte, das gehöre zur Kultur. Recht hatte er und damit auf Dauer mein Interesse an Illusionskünstlern geweckt, so dass ich später selber solche Künstler engagierte und immerhin den schon alten Hanussen II mühelos durchschaute. Auch meine Beschäftigung mit Parapsychologie kommt daher.

Was ganz Besonderes jedoch stand in der Lüneburger Heide. Wir hatten dort ein eigenes Schullandheim. Andere Schulen hatten das nicht.

Darum will ich hier über „Humboldts Heim in der Heide“ berichten. Unsere Schule kommt nicht so besonders gut dabei weg.

Denk ich an Kirche in der Nacht …

wie es weitergeht, wissen Sie. Auch wenn da Kirche steht statt Deutschland.

Doch warum Kirche? Warum schreibe ich das? Noch dazu als Pfarrer.

Weiter mit dem PDF:


Eine Jubeldenkschrift zum Firmenjubiläum – Das Stephansstift Hannover, Teil 4 von 4, „Was nicht in der Studie steht“- Die Autorinnen belassen den unwissenden Leser in schandbarer Unwissenheit.

Diese „Rezension“ begann mit einem drastischen Beispiel das nicht in der Studie genannt wird und auch keine vergleichbaren Vorkommnisse. Doch die gab es und man hätte sie unschwer finden können, wenn man wenigstens gegoogelt hätte. Dieses Versäumnis wiegt schwer, weil die Autorinnen aus ihren früheren Untersuchungen wussten, dass Misshandlun­gen und auch Missbräuche zumindest punktuell zu diesen „totalen Institutionen“ gehörten, in denen die Schutzbefohlenen der Willkür des zumeist nicht pädagogisch ausgebildeten Personals ausgeliefert waren.

Hier das PDF:

Bericht über einen realen Vorfall

Posted in Uncategorized by dierkschaefer on 23. Oktober 2022

Walter Schaare bat mich, diesen anonymisierten Bericht über einen realen Vorfall in Twitter zugänglich zu machen.

Verrecken sollst du Vieh, verrecken wie ein Hund!

Hier der Bericht als PDF

Eine Jubeldenkschrift zum Firmenjubiläum – Das Stephansstift Hannover, Teil 3 von 4: Die Bewirtschaftung der Bedürftigkeit

Seid klug wie die Schlangen[1] … auch bei den Finanzen.

Am Beginn stand die Idee vom barmherzigen Samariter, der einfach nur half.[2] Er sah sich zuständig im Gegensatz zu den Amtspersonen und (Schrift-)gelehrten. Der von ihm bezahlte Wirt gehörte sozusagen schon zu einem rudimentären Hilfesystem. Und wenn man das ausbaut?

Dann kommt man in der Moderne zur Bewirtschaftung der Bedürftigkeit.

Das Stephansstift ist ein Beispiel für die Geschichte so mancher der heutigen Sozialkonzerne. Die Autorinnen haben in ihrer Studie die Geschichte des Stifts ausführlich beschrieben[3], allerdings sehr unkritisch. Zwar sind sie nur bedingt zu kritisieren. Bilanzen lesen zu können gehört m. W. nicht zu den Studieninhalten von Historikern. Da müssen Spezialisten ran. Aber man sollte seine Grenzen bewusst wahrnehmen und dann Spezialisten heranziehen.

Das habe ich getan, denn auch ich kann keine Bilanzen lesen. Udo Bürger[4] hat sich die Bilanzen des Stephansstifts angesehen und damit wesentlich zu diesem faktengestützten Narrativ vom unaufhaltsamen Aufstieg dieser Einrichtung beigetragen.

Doch einige Fragen tauchen auch dem Laien auf: Warum, zum Beispiel, ist den Autorinnen die Expansion vom Stephansstift von seinen Anfängen bis hin zur Größe der „Dachstiftung“[5] keine Frage wert gewesen? Sie kannten die Bedingungen der Gemeinnützigkeit. Sie sind steuerfrei und dürfen deswegen keine Gewinne erwirtschaften.

Den so naheliegenden Fragen soll hier ansatzweise nachgegangen werden.

Da die Software von „wordpress“ wie wild die Formatierungen wechselt, folgt hier, nach den ersten Fußnoten, wieder die PDF-Version.

Demnächst geht es weiter mit dem abschließenden Teil 4 von 4.


[1] Jesus Christus spricht: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben (Mt 10,16).

[2] Das war eine Idee. Sie funktionierte nur bei reichen Geldgebern als Absicherung für das Jenseits.

Beispiele:

„Ich, Nicolas Rolin, … im Interesse meines Seelenheils, danach strebend irdische Gaben gegen Gottes Gaben zu tauschen, […] gründe ich, und vermache unwiderruflich der Stadt Beaune ein Hospital für die armen Kranken, mit einer Kapelle, zu Ehren Gottes und seiner glorreichen Mutter.“

Oder die Fuggerei: Für das Wohnrecht gilt noch heute, Gebete für die Stifterfamilie zu sprechen:  „täglich einmal ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein Ave Maria für den Stifter und die Stifterfamilie Fugger. https://de.wikipedia.org/wiki/Fuggerei

Abgesehen von solchen Beispielen sah die Realität meist anders aus, wenn es keine vertragliche Verpflichtung für die Versorgung von Bedürftigen gab.( https://de.wikipedia.org/wiki/Altenteil, https://www.proventus.de/blog/aktuelles/altersvorsorge-damals-und-heute.html

[3] Die Seitenanzeigen in diesem Teil beziehen sich auf die Studie. Sie sind auch in Teil 2 von 4 in diesem Blog zu finden: https://dierkschaefer.wordpress.com/2022/09/25/eine-jubeldenkschrift-zum-firmenjubilaum-das-stephansstift-hannover-teil-2-von-4/

[4] Name verändert. Ich beanspruche Quellenschutz.

[5] Vorab das Organigramm: https://www.dachstiftung-diakonie.de/fileadmin/user_upload/20210715_Dachstiftung_Diakonie_Organigramm.pdf

Eine Jubeldenkschrift zum Firmenjubiläum – Das Stephansstift Hannover, Teil 2 von 4

Die Studie von Winkler/Schmuhl

Nach Vorwort, Dank und Einleitung geht der Gang chronologisch durch die Geschichte des Stifts. Ich folge dieser Gliederung und gebe die Inhalte in groben Zügen wieder.

Es geht um den Zeitraum von 1869 bis 2019. Schon der Beginn war turbulent: zeit- und sozialhistorisch, wie auch kirchengeschichtlich.

Zur Zeitgeschichte: Ich bin in Hannover aufgewachsen und zur Schule gegangen. Der „Übergang“ vom Königreich Hannover zur preußischen Provinz (https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Langensalza )  war in der Schule nie ein Thema. Dass wir zwar Beutepreußen, aber derb lustig waren, kannten wir nur aus dem verballhornten Lied von den lustigen Hannoveranern: „und haben wir bei Langensalza die Schlacht auch verloren, dem König von Preußen, woll’n wir was scheißen, einen großen Hucken vor die Tür, lustige Hannoveraner, das sind wir.“

Nun ja, von den großen Zügen der Regionalgeschichte blieben wir unbeleckt. Unsere Lehrer wussten‘s wohl nicht besser. Auch unserem Religionslehrer war wohl manches unbekannt, so auch die ernsthaften Rangeleien zwischen Landeskirche und „Innerer Mission“ zu dieser Zeit. Mir bis dato auch.

Die Zeiten blieben turbulent. Hervorgehoben sei hier zunächst die enge Verbindung (man kann es auch Durchseuchung nennen) zwischen den Diakonen (reichsweit) und den Nazis und besonders der SA. Diakone waren auch Wachpersonal in den KZs („Das ist unser Dienst, Herr Pastor, stehen und warten, dass man einmal auf einen Menschen schießen darf. Sind wir darum Diakone?“). Und nach WKII stieg das Stephansstift wie ein Phönix aus der Asche zu ungeahnten Höhen auf.

Hier der Volltext dieses Teils meiner Rezension.